piwik no script img

Clinton hinterläßt skeptische Gesichter

Die Reise des US-Präsidenten nach Ex-Jugoslawien war ein gelungener Auftritt für die Wähler daheim. In Bosnien werden Zukunftspläne der USA vermißt, die russischen Soldaten bereiten Sorgen  ■ Aus Tuzla Erich Rathfelder

Als der Nebel sich über das Rollfeld senkte, waren die Konturen der Maschine des US-Präsidenten nur schemenhaft auszumachen. Doch trotz des naßkalten Wetters stieg Bill Clinton mit breitem Lächeln in den Wagen. Er konnte sicher sein, daß seine Blitzreise zu den US-amerikanischen Militärbasen in Ungarn, in das bosnische Kriegsgebiet und in die kroatische Hauptstadt Zagreb große Aufmerksamkeit erregen würde. Die Bilder von den über der Szenerie kreisenden Apache- Kampfhubschraubern und den Panzern vermittelte nicht nur den Eindruck der Stärke für die Kriegstreiber in Bosnien. Sie waren auch für die US-Wohnzimmer bestimmt, in der die zukünftigen Wähler sitzen.

Die Botschaft, die Clinton am Samstag in Tuzla übermittelte, war eher schmal geraten. Die Grüße an die „heldenhaften“ US-Soldaten eine Selbstverständlichkeit. Zwar betonte er die Führerschaft der USA beim Friedensprozeß in Bosnien-Herzegowina, über deren politische Ziele schwieg er sich jedoch aus. Und als er sich nicht einmal zu einem Gruß für die Vertriebenen von Srebrenica durchringen konnte, waren viele Bewohner Tuzlas enttäuscht. Denn für sie ist noch nicht auszumachen, wohin der Aufmarsch der US-Truppen in Bosnien-Herzegowina führen soll. Zwar werde jetzt nicht mehr geschossen, so die Meinung in der Stadt, doch warum werde der serbischen Republik ein Korridor zur Verbindung der serbisch besetzten Gebiete in Ostbosnien mit dem serbisch besetzten Gebiet um Banja Luka zugestanden, wenn gleichzeitig behauptet wird, der Friedensvertrag von Dayton garantiere die Bewegungsfreiheit für alle Bürger?

„Der Korridor wäre dann doch gar nicht nötig“, sagt Professor Salih Burek, ein stadtbekannter Verfechter des multinationalen Zusammenlebens. „Wer den Staat Bosnien-Herzegowina wiederherstellen will, muß auch dafür Sorge tragen, daß alle Flüchtlinge an ihre Heimatorte zurückkehren können.“ Solange jedoch in der sogenannten serbischen Republik eine von serbischen Nationalisten getragene Regierung weiterbestehe, würden von dieser vertriebene Menschen kaum dorthin zurückkehren wollen. „Wir vermissen das politische Konzept von Herrn Clinton.“

Als zudem noch durchsickerte, daß die den serbischen Machthabern freundlich gesonnenen russischen Truppen in der amerikanisch kontrollierten Zone ein eigenes Gebiet kontrollieren werden, schlug die Skepsis bei vielen in Bestürzung um. Denn die russischen Truppen werden – anstatt wie ursprünglich geplant in dem amerikanischen Sektor verstreut – als kompakte Einheit von 1.600 Mann in der Region um die östlich Tuzlas gelegene Stadt Bijeljina eingesetzt. Dort hatten 1992 die ethnischen Säuberungen begonnen. Und Bijeljina soll anstatt von Pale die Hauptstadt der sogenannten serbischen Republik in Bosnien-Herzegowina werden.

Auch die angereisten bosnischen Honoratioren zeigten besorgte Gesichter. Zwar betonte der bosnische Präsident Alija Izetbegović, die USA hätten zum Frieden beigetragen, doch schwang bei ihm auch Besorgnis über die künftige Entwicklung mit. Deutlicher wurden manche Begleitpersonen: Die USA demonstrierten zwar militärische Stärke, ein politisches Konzept jedoch, das den serbischen Nationalisten entgegenkomme, führe nur zu fortlaufenden Spannungen. Und auch der katholische Kardinal Vinko Puljić, der zu den Stützen einer demokratischen gesamtbosnischen, multiethnischen und multireligiösen Gesellschaft gehört, hoffte lediglich, daß die Versprechungen des Abkommens über die Rückkehr von Kroaten und Muslimen nach Banja Luka und dem Posavina- Korridor von den USA garantiert werden können.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen