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Erwartetes Urteil

■ Totalverweigerer zu zehn Monaten auf Bewährung plus Geldstrafe verknackt

Der Hamburger Totalverweigerer Nick Netzler wurde gestern vom Amtsgericht Itzehoe wegen Fahnenflucht zu zehn Monaten Gefängnis verurteilt. Richterin Heer setzte die Strafe aber für drei Jahre auf Bewährung aus, weil sie nicht mit einer erneuten Einberufung Netzlers zur Bundeswehr rechnet. Außerdem muß der Kriegsdienstverweigerer eine Geldbuße von 2500 Mark zahlen. Der Staatsanwalt hatte ein Jahr Haft gefordert.

„Das Urteil ist wie von mir erwartet. Das Geld werde ich aber nicht zahlen“, sagte der 24jährige direkt nach dem Richterspruch. Damit blieb Netzler sich treu: Der renitente Wehrpflichtgegner hatte zuvor Erfassung, Musterung, Eignungstest und drei Einberufungen ignoriert (taz berichtete). Auch einen rechtlichen Beistand hatte der „Einzelkämpfer“ abgelehnt – er verteidigte sich selbst.

Während der Verhandlung verlas Netzler eine 24 Seiten starke Erklärung. Mit rhetorischem Geschick spannte er einen Bogen zwischen der Geschichte der Wehrpflicht, der deutschen Waffenexportpolitik (Deutschland ist weltweit die Nummer Zwei) und dem aus einer Sicht „ethisch nicht akzeptablen Sanitätsdienst in der Bundeswehr“.

Der gelernte Krankenpfleger war zuletzt zur 10. Kompanie des Sanitätsbataillons 6 in der Freiherr-von-Fritsch-Kaserne nach Breitenburg (bei Itzehoe) einberufen worden. Für das Verfassen seiner Prozeßerklärung hatte Nick Netzler genügend Zeit: Er saß sieben Wochen in der JVA Neumünster in U-Haft – „wegen Fluchtgefahr“, so Richterin Heer.

Zur allgemeinen Erheiterung trug Netzlers „Vernehmung“ des Zeugen Hauptmann Gräwe bei, seines formalen Vorgesetzten. Er sprach den Bundeswehroffizier mit „Kamerad“ an. Der nahm das verbale Zuspiel auf und bestätigte dem „Kameraden“ Netzler: „Sie sind von Amts wegen formal aus der Bundeswehr entlassen!“ Dieser Fakt war für das Aussprechen einer Strafe auf Bewährung von erheblicher Bedeutung. Volker Stahl

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