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Read me! Von Mathias Bröckers

Seit diese Kolumne auch über das Internet zugänglich ist, habe ich mir öfter schon Gedanken darüber gemacht, was ein einsamer WorldWide-Web-Surfer wohl damit anfangen kann, was wir hier wöchentlich zum Besten geben. Unter der taz-Gemeinde, der ich seit 15 Jahren predige, kann ich mir ja gerade noch irgend etwas vorstellen, aber diese 40, 80, 100 Millionen Internet-User? Wie sieht der typische Bewohner des globalen Dorfs eigentlich aus? „Weiß, männlich, obere Mittelklasse“ – diese Insignien der Netzgemeinde sind langsam passé, seit die Hardware kaum noch teurer als ein Fahrrad ist.

Die Software-Cracks von morgen sitzen schon heute ohnehin weniger im Silicon Valley und klimatisierten IBM-Palästen als in nepalesischen oder indischen Computerhütten. Nur Speichernot macht erfinderisch – warum noch schlanke, filigrane Codes austüfteln, wenn fette Festplatten zum Klotzen einladen? Bill Gates Legionen von blassen „Microserfs“ mögen derzeit noch die offizielle Avantgarde der Programmierintelligenz darstellen, der Nachwuchs wächst indessen anderswo heran.

Aber zurück zur Ausgangsfrage: Was fängt der unbekannte durchschnittliche Internet-Surfer mit diesem Text an, wenn er ihn in der Buchstabenwüste namens ww/ taz.de findet? Wir haben diesmal mit Bedacht eine Überschrift gewählt, mit der die erste, entscheidende Hürde – die Sprachbarriere – überwunden wird. Deutsch ist im globalen Dorf ein Minderheitenslang, der über 95 Prozent der Bevölkerung von vornherein ausschließt. Also müßte der Text im Netz zumindest auch auf englisch verfügbar sein – doch ein Heer von Simultanübersetzern zu beschäftigen, die jeden taz-Artikel gleich ins Englische übersetzen, ist unmöglich. Aber immer noch realistischer als die Nutzung von Computer- Übersetzungsprogrammen, gegen deren erbärmliches Niveau selbst die Pidgin-Übersetzungen fernöstlicher Elektronikgebrauchsanweisungen wahre Weltklasse sind. Was einmal mehr zeigt, wie weit her es mit der „künstlichen Intelligenz“ in Wahrheit ist – solange im globalen Dorf nicht einmal simultan übersetzt wird, kann von intelligenten Computern keine Rede sein.

Was also bleibt, wäre, den Text hier gleich ganz in englisch zu schreiben. Aber abgesehen davon, daß ich große Schwierigkeiten damit hätte, etwa die neuesten Schulhofzoten dann noch angemessen rüberzubringen – „Der Schwule läßt die Arbeit ruhn und freut sich auf den after noon“, wo bleibt da auf englisch der Witz –, abgesehen auch davon, daß so etwas dann gleich zu einem neuen Internet- Skandal wegen Schwulenfeindlichkeit führen könnte, abgesehn von alledem wäre es auch eine ziemliche Unverschämtheit, unserer Heimatgemeinde, den geliebten taz-Leserinnen und -Lesern, hier ab sofort in broken english gegenüberzutreten.

Zumal dieser ganze Internetismus ja sowieso eine maßlose Medien-Hype ist: Wer soll sich eigentlich, wo das Ganze doch Informationszeitalter heißt, noch fröhlich informieren lassen, wenn er mit Giga-Halden von Information förmlich zugeschissen wird? Insofern tun wir den Wanderern im Internet eigentlich einen Gefallen, wenn wir diese Kolumne weiterhin auf deutsch verfassen. Oder, noch besser, demnächst in hessisch!

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