: Phrasendreschen für die Umwelt
■ Senat unterschreibt Agenda 21, und nur einer erdreistete sich, keine Sonntagsrede zu halten Von Heike Haarhoff
Nie waren ihre Erkenntnisse zum Umweltschutz so asbach wie gestern: Zwei Stunden lang übertrafen sich Bürgermeister Henning Voscherau, das wandelnde Umwelt(senatoren)gewissen Fritz Vahrenholt sowie VertreterInnen aus Wirtschaft, Wissenschaft, Gewerkschaften, Handels- und Handwerkskammer, Umwelt- und entwicklungspolitischen Verbänden mit Phrasendrescherei für Energiesparen, Naturschutz, mehr Verantwortung und Gerechtigkeit im Umgang mit Ressourcen. Sogar Bischöfin Maria Jepsen erschien den mehr als 100 ergriffen Lauschenden im Rathaus-Kaisersaal, um daran zu erinnnern, daß „die Wahrung der Schöpfung weltweit ein gemeinsames Anliegen“ sein sollte.
Anlaß der Marathon-Schwafelei war eine Unterschrift des Senats. Der hat gestern erwartungsgemäß Hamburgs Beitritt zur „Aalborg-Charta“ und damit die Erarbeitung einer Kommunalen Agenda 21 bis Ende 1996 mit Handlungskonzepten für den lokalen Umweltschutz beschlossen. Nach Berlin, Rostock, Kiel und Dresden will jetzt auch Hamburg nicht länger zögern, das 1992 beim Klimagipfel in Rio de Janeiro gegebene Versprechen einzulösen, kommunale und vor allem „nachhaltige“ Umweltschutz-Handlungskonzepte zu erstellen, um „die Bewohnbarkeit des Globus zu bewahren“ (Voscherau). Diese Vereinbarung unterzeichneten 170 Staaten. Und wie unter Diplomaten üblich, ist alles ganz unverbindlich, freiwillig und basiert auf gutem Willen.
Daß die Hamburger aber bereit sind, aufs Auto zu verzichten, der Energieverschwendung nicht länger zu frönen und statt dessen freiwillig in irgendwelche Öko-Fördertöpfe einzuzahlen, da ist sich der Senat ganz sicher. In den kommenden Monaten wird die Umweltbehörde drei Foren mit den brillant-schwammigen Arbeitstiteln “Herausforderung Klimaschutz“ (17.2.), „Zukunftsfähiges Produzieren und Konsumieren“ (Anfang April) und „Grün und Natur in der Stadt“ (Anfang Mai) organisieren. Schon jetzt argwöhnen Kritiker, daß damit wohl kaum BürgerInnen zur – durchaus erwünschten – Beteiligung am Konzept animiert werden dürften.
Nebenbei klopften sich die RednerInnen selbstverständlich auf die Schulter: Denn was sie in Sachen Wärmekopplung und Photovoltaik bereits geleistet hätten, sei enorm. Einzig Greenpeaceler Wolfgang Lohbeck trübte die Euphorie: Die Hamburger Verkehrspolitik kranke, immer noch empfehle die HEW elektrische Heizsysteme, und der Ozon-Killer FCKW würde weiterhin beim Wohnungsbau verwendet.
Die einhellige Forderung nach „mehr Mut zu neuem Denken“ formulierte jedenfalls der Geschäftsführer der Handwerkskammer, Jürgen Hogeforster, sprachlich am schönsten: „Wir haben runde Köpfe, damit die Gedanken häufig die Richtung ändern können.“
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