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Munition für den Kulturstreit

■ Lothar Späth über Kreativität, Kultur und Wettbewerb / „Kunst ist kein weicher Standortfaktor, sondern der härteste überhaupt“

Das Timing war goldrichtig. Im Schauspielhaus lieferte ein dem weinerlichen Jammern nach mehr Geld aus der Stadtkasse unverdächtiger Alliierter Theaterleuten und Kulturpolitikern argumentative Munition für den Streit um die Kulturfinanzierung: Lothar Späth sprach über die „Ökonomie von Kultursubventionen“.

Kunst und Kultur sind für den Ex-Ministerpräsidenten von Baden-Württemberg nicht nur „weiche“ Standortfaktoren, die für die Wettbewerbsfähigkeit einer Stadt fast so wichtig sind wie ein Autobahnanschluss. Der Chef der Jenoptik in Jena hält in Zeiten des globalen Wettbewerbs Kultursubventionen für das einzige probate Mittel der Wirtschaftsförderung.

Um in der weltumspannenden Dienstleistungsgesellschaft Erfolg zu haben, brauche man in Deutschland vor allem Kreativität und Phantasie, um stets die besten Strategien zur Lösung neuer Probleme anbieten zu können. Die Arbeitskosten ließen sich sowieso nicht unter die Stundenlöhne der Asiaten senken, weiß das „Cleverle“. Darum ärgert es den Schwaben, wieviel Geld in Deutschland ausgegeben werde, um alte Strukturen zu konservieren und wie wenig für Neues eingesetzt werde. Viele der 150 Zuhörer dürften dabei an den Vulkan gedacht haben.

Kreativität, Phantasie und der Mut zum Risiko bedürften aber der Anregung - etwa im Theater oder in Museen. Kulturinitiativen, Kindertheater und Jugendkunstschulen seien auf die Ausstrahlung der „Kulturleuchttürme“ angewiesen, sagte Späth. So manchem kam da der Verteilungskampf zwischen Goethe-Theater und freien Gruppen in den Sinn.

Gerade in Zeiten hoher Arbeitslosigkeit müßten Kulturetats erhöht werden, forderte Späth. Nur lebendige Stadtkultur ziehe die kreativsten Köpfe in eine Stadt. Die Primaballerinen des Stuttgarter Ballets hätten mehr zur Entwicklung des Ländles beigetragen als die Wirtschaftsförderung.

Zwar ist Späth ein Anhänger von Sponsoring- seine allzu enge Beziehung zur Wirtschaft hatte ihn 1991 den Job als Landeschef gekostet. Doch steht für ihn außer Frage, daß öffentliche Kassen für die Grundausstattung der Kulturinstitute verantwortlich sind. Sponsoren könnten nur „Sahnehäubchen“ draufsatteln. Er empfinde Sympathie für eine Firma, die ihm einen besonderen Theaterabend ermögliche und dafür ihre Logos auf die Eintrittskarten drucke. Die intelligente Gesellschaft müsse von der banalen Werbung auf Sponsoring umstellen, forderte Späth.

Um der verbreiteten Risiko-Scheu entgegenwirken und die für den Aufbruch in die globale Dienstleistungsgesellschaft erforderliche Kreativität fördern zu können, müßten die Stadttheater aber aus ihrer lähmenden „Öffentlicher Dienst-Struktur“ befreit werden. Andernfalls bliebe bei allen Kürzungen nur der Apparat von Fixkosten als unattraktive „stehende Leiche“ übrig und ein Intendant habe keine künstlerischen Freiräume mehr, sagte Späth.

Schon wegen dieser stützenden Worte dürfte sich Späths Einladung für den Intendanten Pierwoß gelohnt haben. Denn die Botschaft wurde vernommen. Wirtschaftssenator Perschau (CDU) war ebenso im Schauspielhaus wie Handelskammer-Präses und Becks-Chef Hattig und die kulturpolitischen Sprecherinnen von Union und Grünen, Motschmann und Trüpel. Kultursenatorin Kahrs (SPD) glänzte durch Abwesenheit. jof

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