Wenn Hallensprecherinnen schmettern

■ Nach Zusammenbruch von Volleyball-GmbH und Team: Bundesligistin TSG Tübingen quält sich Richtung Saisonende

Tübingen (taz) – Wenn überhaupt, war sie in der Branche als Hallensprecherin bekannt – und nun schmetterte sie beim Spiel in Vechta plötzlich in der Volleyball- Bundesliga: Wilma Schenk hat sich mit 34 Jahren einen längst aufgegebenen Jugendtraum erfüllt und den Sprung von der Bezirks- in die Bundesliga geschafft. Das ist eine Karriere, wie sie derzeit möglich ist; freilich nur bei der TSG Tübingen. Kurz vor Weihnachten hatte dort die Management-GmbH Konkurs angemeldet, worauf das Team auseinandergebrochen war. Mit einer Notbesetzung will der Tabellenletzte nun die Saison zu Ende spielen.

Damit ist wieder ein Verein beim Versuch gescheitert, mit althergebrachten Strukturen im Profi-Volleyball zu bestehen. 1992, im zweiten Bundesliga-Jahr, hatte die TSG Tübingen den vierten Platz erschmettert – doch der Glanz vor bis zu 1.400 Zuschauern pro Heimspiel war schon damals nicht gedeckt. Nach vier Spielzeiten hatte die TSG 680.000 Mark Schulden. Was dem Klub zum 150. Geburtstag im vergangenen Jahr die Party verhagelte: Die Mitglieder kippten ihren Plan, eine Million Mark für eine vereinseigene Halle aufzubringen. Es war ein Projekt, das in Tübingen heftig umstritten war. Der Zuschuß von 4,6 Millionen Mark der Stadt mit lebhafter Soziokultur und großen Kunstausstellungen war erst nach erbitterten Debatten im Gemeinderat genehmigt worden. Auch die Landessportverbände hatten 3,4 Millionen Mark zugesagt.

Zwar hatte der Verein, als er das finanzielle Ausmaß des Volleyball-Desasters mühsam genug aufgespürt hatte, das Management zur eigenverantwortlichen GmbH ausgegliedert; doch nun hat auch die mittlerweile 300.000 Mark Miese zusammengebaggert. Weil die GmbH schon im vergangenen Sommer mit etwa 200.000 Mark überschuldet war, spricht der Konkursverwalter sogar von einem verschleppten Konkurs, nun ermittelt die Tübinger Staatsanwaltschaft gegen die beiden Geschäftsführer Siegfried Ulmer und Beate Ewersmeyer-Wenk.

Die hatten zu Beginn der Saison noch nach einem Psychologen gesucht, weil das Team mit 0:10 Punkten im Trockendock sitzengeblieben war, statt wie geplant Kurs auf die Play-off-Runde der besten Sechs zu nehmen. Für die Blockade, die im Kopf vermutet wurde, waren wirtschaftliche Probleme verantwortlich: Seit Oktober bekamen die Volleyballerinnen kein Geld mehr. „Genaugenommen wurden sie leistungsbezogen bezahlt“, sagt Geschäftsführer Ulmer zynisch, „nämlich null.“ Als die GmbH den Spielerinnen neue Verträge mit drastisch reduzierten Bezügen vorlegte, war es vorbei mit der Geduld der hingehaltenen Schmetterfrauen. Die Hälfte des Teams sprang ab. Spielführerin Marita Hüninghake etwa kam beim türkischen Meister Eczacibasi Sportclub Istanbul unter. Dort leistet man sie sich als dritte Ausländerin für den Europa-Pokal.

Auch der Deutsche Volleyball- Verband bemühte sich, Tübingen in der ersten Liga zu halten – kurz nach der überraschenden Olympia-Qualifikation der deutschen Frauen sollte ein Rückzug die Feststimmung nicht verderben. Rudi Sonnenbichler, Bundestrainer der Juniorinnen, wollte seine Auswahl für den Rest der Runde im Tübinger Trikot auflaufen zu lassen. Außer Konkurrenz zwar, aber dafür auch außerhalb negativer Schlagzeilen. Die wollte Sonnenbichler durch „einen Schulterschluß von Verband, einem Verein in Not und der Öffentlichkeit“ vermeiden.

Doch der neugegründete VC Tübingen, der für Anreise, Unterkunft und Verpflegung der Juniorinnen hätte aufkommen müssen, möchte als Nachfolger der GmbH nun selber weitermachen – 50.000 Mark an Sponsorengeldern hat man noch aufgetrieben. Denn beim Rückzug wäre auch ein Platz in der zweiten Liga verspielt gewesen – der aber, sagt der Verein, sei wichtig für die Nachwuchsarbeit.

Also wurden fünf Volleyballerinnen mühsam zum Weitermachen überredet. Ergänzt wird der Rumpfkader durch Spielerinnen aus früheren Zweitligazeiten der TSG und solchen aus unterklassigen Teams. Was dabei sportlich herauskommt? Dem vormaligen Vorletzten Vechta hat die TSG am Wochenende zu einem lockeren 3:0 und einer Pluspunkteverdoppelung von zwei auf vier verholfen. Am Samstag kommt nun Meister Schwerin (14:2 Punkte) nach Tübingen (2:14). Dann wird Wilma Schenk freilich nicht auflaufen. Wer öfter als einmal in der Bundesliga spielt, darf nicht mehr in der Bezirksliga mitmachen. Das ist ihr die Sache dann doch nicht wert. Thomas de Marco