: Jagdszenen auf der Unterelbe
■ Hamburgs Hafenschlepper wehren sich gegen Dumping-Preis-Konkurrenz, Niedriglöhne und eingeschränkte Sicherheitsstandards Von Heike Haarhoff
Kesseltreiben im Hamburger Hafen: Mit einer waghalsigen Verfolgungsjagd auf der Elbe demonstrierten gestern mittag die Besatzungen der fünf Hamburger Schlepp-Reedereien gegen den drohenden Verlust von Arbeitsplätzen, gegen Billiglöhne und Dumping-Preise der niederländischen Schlepper, die ihnen seit Jahresbeginn das Geschäft vermasseln.
Laut hupend und wild entschlossen, die Konkurrenten der Schleppreederei „Kotug Hamburg GmbH“ – Tochter der niederländischen Kooren-Reederei – zur Rede zu stellen, rückte die Hamburger „Flotte“ mit einem knappen Dutzend Schleppern zum Liegeplatz der Holländer am Vulkanhafen an. Der Versuch, drei Kotug-Schlepper zu umzingeln, scheiterte haarscharf: Die in die Enge getriebenen rot-weißen Pötte manövrierten sich wenige Zentimeter an den Hamburger Schleppern vorbei und flüchteten zum Burchardkai.
Kein Schiff kam bei der spektakulären Demonstration zu Wasser zu Schaden, was selbst die Wasserschutzpolizei überraschte. Denn so zornig und zugleich solidarisch wie gestern waren Hamburgs Hafenarbeiter, Schiffsführer und Schleppper-Angestellte lange nicht: Seit Kotugs Einzug in Hamburg vor drei Wochen ging die Auftragslage der alteingesessenen fünf Hamburger Schlepperdienste Bugsier, Petersen und Albers, Lütgens und Reimers, Fairplay sowie Louis Meyer um 20 Prozent zurück, klagt Helmut Schwichtenberg, Gesamtbetriebsratsvorsitzender bei Bugsier. Kotug beschäftige Langzeitarbeitslose aus den neuen Bundesländern zu Niedrigstlöhnen. Dumping-Preise, schlechte Arbeitsschutz- und Sicherheitsstandards unterliefen jegliche Tarifvereinbarungen. Die Folge: Reedereien wandern ab, 220 Schlepper-Beschäftigte fürchten um ihre Jobs. „100 Arbeitsplätze sollen vernichtet werden“, warnte ÖTV-Chef Rolf Fritsch gestern bei der ÖTV-Mitgliederversammlung. Denn die Arbeitgeber der Hamburger Schlepperdienste wollen auf die niederländische Konkurrenz mit einer drastischen Tarifänderung reagieren.
Zur Zeit arbeiten neun Menschen in drei Besatzungsschichten pro Schleppper. Künftig, so die Planungen, soll es wie bei den Niederländern nur noch zwei Schichten pro Boot, also sechs Mitarbeiter geben. „Sie können davon ausgehen, daß es Entlassungen geben wird“, bestätigte Bugsier-Prokurist Adolf Hüttmann gestern der taz.
Die Schlepper-Besatzungen wehren sich: Sollte Kotug bis zum 26. Januar keine Gesprächsbereitschaft signalisieren, sich den deutschen Tarifen anzupassen, „werden Containerschiffe, die Kotug in den Hafen gezogen hat, nur noch nach Dienstvorschrift entladen“, kündigt ein Hafenarbeiter schon mal Bummelstreiks und längere Liegezeiten an. Derweil zuckt die sonst um jeden Hafen-Arbeitsplatz kämpfende Wirtschaftsbehörde hilflos die Schultern: „Unser Instrumentarium ist ausgereizt. Die Niederländer erfüllen die Sicherheits- und technischen Auflagen der Seeberufsgenossenschaft“, bedauert Behörden-Sprecher Wolfgang Becker und verweist auf „die Niederlassungsfreiheit in der EU“. „Man hätte ihnen den Liegeplatz verweigern sollen“, findet dagegen Schwichtenberg. Vielleicht gelingt das den Kollegen in Bremerhaven: Dort plant Kooren zum 1. Juli eine Niederlassung.
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