: Vorschlag
■ Litfaß und Berolina: Zwei Lokalgrößen im Märkischen Museum
Berolina grüßt mit Speckarm Abb.: Stadtmuseum
Wer wissen möchte, was in puncto Sparkultur auf Berlin zukommt, sollte ins Märkische Museum gehen. Gestern wurde dort eine Ausstellung eröffnet, die einer niederbayerischen Kleinstadt angemessen wäre. Gewidmet ist sie zwei Symbolfiguren Berlins: der Berolina und dem Reklamekönig Ernst Litfaß. Weil es für den Durchbruch als Schauspieler nicht reichte, begann Litfaß 1841 Flugblätter und literarische Heftchen, später Plakate und Kriegsdepeschen zu drucken. Sein Berliner Krakehler, eine Art Bild des 19. Jahrhunderts, warb mit Schlagzeilen wie „In Frankfurt Kanonenschießen, bum, bum, bum“. Litfaß war preußischer Patriot und erkannte früh die Bedeutung von Presse und Propaganda. Die Plakatsäulen machten öffentliche Anschläge kontrollierbar und der Zensur zugänglich. 1854 stellte Litfaß 150 Säulen auf. Als er 1874 starb, war der Werbepionier steinreich – und seiner „Entdeckung“ äußerlich nicht unähnlich.
Reichlich rund ist auch die Dame, der die andere Hälfte der Ausstellung gewidmet ist: die Kupferheldin Berolina, die seit 1895 mit weit ausholendem Speckarm über den Alexanderplatz zeigte. Ganz nach dem Geschmack Wilhelms II. hatte man den Koloß von Emil Hundrieser entwerfen lassen. Der Bildhauer mit Sinn fürs historische Pathos – er schuf später das Kaiserdenkmal am Koblenzer Deutschen Eck – kleidete die Stadtheilige mit Kettenhemd und bewaffnete sie mit Mauerkrone und Wappenschild. Wie sie zum Liebling der Berliner werden konnte, bleibt ein Rätsel. 1927 fiel sie dem U-Bahn-Bau zum Opfer, 1933 stellten die Nazis sie wieder auf, 1944 wurde sie zu Granaten verarbeitet. Ihr unrühmliches Ende, so die Aussteller, könne man durch Rekonstruktion der Statue wiedergutmachen – noch ein Beitrag zum Thema Wiederaufbau wilhelminischer Monumente.
Ob die polierte Berolina-Miniatur und Ansichtskarten in der Vitrine die Leidenschaft der BesucherInnen entfesseln, ist fraglich. Warum beschränken sich die Aussteller darauf, farblose Dokumente aufzuhängen, statt ein paar unterhaltsame Details über Presselandschaft, Werbung und Zensur der Kaiserzeit zu liefern? Ist für die knochentrockene Präsentation wirklich nur das knappe Budget verantwortlich? An den Lebensläufen von Herrn Litfaß und Frau Berolina kann es nicht gelegen haben. Constanze v. Bullion
„Herr Litfaß und Frau Berolina“, bis Ende März, Märkisches Museum, Am Köllnischen Park 5, Mitte
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