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Lebenslänglich für das Werk Gottes

■ Ein Gericht in New York verurteilt den blinden ägyptischen Geistlichen Umar Abder-Rahman und neun Mitangeklagte. Sie sollen Anschläge auf Gebäude, Brücken und Tunnel in den USA geplant haben

New York/Berlin (wps/AP/taz) – „Dies ist ein heidnisches Land. Es hat ein heidnisches Weißes Haus, ein heidnisches Pentagon, und dies ist ein heidnisches Gericht.“ – Mit einer 90minütigen Rede über das Böse der Welt verabschiedete sich der Ägypter Scheich Umar Abder-Rahman (57) von seinem Richter. Zuvor hatte dieser den blinden Geistlichen am Mittwoch in New York zu einer lebenslangen Haftstrafe plus 65 weiteren Jahren Gefängnis verurteilt. Begründung: Abder-Rahman habe ein terroristisches Komplott gegen die USA geschmiedet und einen Mordanschlag auf den ägyptischen Staatschef Husni Mubarak vorbereitet. Als Kopf einer islamischen Terrorgruppe habe er Anschläge auf diverse Gebäude geplant, darunter das UN-Hauptquartier, das Pentagon und das Hauptquartier des FBI. Desweiteren hätten die wichtigsten Verbindungswege zwischen Manhattan und New Jersey auf der Zielliste der Gruppe gestanden: der Lincoln- und der Holland-Tunnel sowie die George-Washington-Brücke.

Wären die Anschläge ausgeführt worden, hätten sie eine Zerstörung ausgelöst, „die dieses Land seit dem Bürgerkrieg nicht mehr erlebt hat“, erklärte Richter Michael B. Mukasey dem Angeklagten in seiner Urteilsbegründung.

Abder-Rahman wurde nicht wegen des Anschlags auf das World Trade Center in New York im Februar 1993 verurteilt. Damals waren sechs Menschen getötet und mehr als tausend verletzt worden. Die Ermittler verhafteten Abder- Rahman. Im Mai 1994 wurden vier seiner Anhänger wegen des Anschlags auf das World Trade Center verurteilt. Das Urteil gegen fünf weitere Angeklagte wird in einem getrennten Verfahren gefällt, da sie eingewilligt haben, mit den Behörden zusammenzuarbeiten.

Gemeinsam mit Abder-Rahman standen neun weitere Angeklagte vor Gericht. Gegen den 40jährigen Sajid Nusair verhängte der Richter eine lebenslange Haftstrafe. Der US-Bürger ägyptischer Herkunft wurde für schuldig befunden, 1990 an dem Mord gegen den extremistischen Rabbiner Meir Kahane in New York beteiligt gewesen zu sein. Die Schuldsprüche gegen die acht anderen Angeklagten bezogen sich auf geplante Bombenanschläge gegen öffentliche Gebäude, Verkehrswege und jüdische Einrichtungen in New York. Haftstrafen von je 35 Jahren wurden gegen den in Puerto Rico aufgewachsenen 29jährigen US-Bürger Victor Alvarez und den 39jährigen jordanischen Einwanderer Muhammad Saleh verhängt. Ihnen wurde Verschwörung und versuchte Bombenlegung vorgeworfen. Auch der 40jährige sudanesische Einwanderer Tariq al-Hassan erhielt 35 Jahre.

Abder-Rahman, der von Kindheit an erblindet war, wuchs in Kairo auf, wo er Führer der Islamistengruppe Gamaa al-Islamija wurde. 1990 kam er mit einem Touristenvisum in die USA und predigte in Moscheen in New Jersey und Brooklyn. Wiederholt verurteilte der Geistliche die Beteiligung arabischer Staaten am Nahost-Friedensprozeß. 1994 war Rahman in Ägypten in Abwesenheit zu sieben Jahren Arbeitslager verurteilt worden.

Mit einem rot-weißen Hut auf dem Kopf – mittlerweile sein Markenzeichen – erklärte er zum Ende des Prozesses: „Ich zahle den Preis derer, die Gottes Werk verrichten.“ Seine Anwältin Lynne Stewart kündigte an, alle Verurteilten würden in die Berufung gehen.

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