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Solardächer statt Kohlepfennig – Ökosteuerkonzepte der Opposition

■ Bündnisgrüne wollen Arbeit billiger und Strom teurer machen. SPD ist zaghafter. Die Union wittert vor allem Gefahr

Bonn (taz) – Sie gilt als das Reformprojekt der Industriegesellschaft. Gefordert von „Worldwatch“, dem Europarat, Greenpeace, dem BUND und Naturschutzbund, wird der Ruf nach einer ökologischen Steuerreform immer lauter. Denn nur mit einer Ökosteuer ist der Ressourcenverbrauch noch zu bremsen, weil Energiesparen belohnt und Energieverschwenden bestraft wird.

Das Ziel ist eine ökologische Marktwirtschaft, in der umweltschonende Technik boomt. Das heutige Steuersystem belastet hingegen zu über 60 Prozent den Faktor Arbeit, doch nur zu 10 Prozent den Faktor Umwelt- und Ressourcenverbrauch. Das soll sich umkehren, so die Ökosteuerfans. Die Zerstörung der Umwelt dürfe nicht auch noch finanziell belohnt werden.

Aber tatsächlich ist Strom seit dem 1. Januar um 8 Pfennig billiger geworden, weil der Kohlepfennig wegfiel. Weil das animiert, Strom zu verschwenden, wollen die Bündnisgrünen mit einer Energiesteuer dafür sorgen, daß der Strom wieder teurer wird. Sieben Prozent im Jahr soll der Preis für Primärenergie künftig teurer werden, schlagen sie vor. Und auch die Mineralölsteuer soll kräftig steigen (siehe Kasten).

So viel Mut hat die SPD nicht. Zweimal hatte die Fraktion über ein eigenes Ökosteuerpapier entschieden, das von Anke Fuchs und Rudolf Scharping protegiert wurde. Groß an die Öffentlichkeit traute sich die Partei damit aber nicht, obwohl es frühzeitig „Musterreden“ für die Abgeordneten gab, um skeptische Unternehmer zu gewinnen. Denn vor allem der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) läuft Sturm gegen das Projekt.

Als jetzt die Bündnisgrünen ihren Antrag vorlegten, wurde dann blitzschnell der lauere Vorschlag der SPD-Fraktion nachgeschoben. „Die Wirtschaft ökologisch modernisieren“, heißt das Konzept für die Schaffung neuer Arbeitsplätze. Dazu gehöre ein einheitliches neues Umweltgesetzbuch, die Einführung des 3-Liter-Autos durch die Industrie, ein neues Gesamtverkehrskonzept, ein neues Energiegesetz und Zuschüsse für ein 100.000-Dächer-Solarprogramm. Zwei Pfennig mehr pro Kilowattstunde soll der Strom für Privatkunden kosten, ein Pfennig für die Industrie. Über das eingespielte Geld soll nicht der Finanzminister verfügen, sondern es soll der Beitrag für die Arbeitslosenversicherung um ein Drittel gesenkt werden. Vorsichtig will man sein und niemandem weh tun.

Die CDU aber hat Angst. Die Bürger würden verunsichert, wenn sie jetzt schon wieder von neuen Abgaben hörten. Umfragen zeigen, daß fast die Hälfte der Bundesbürger hinter Ökosteuern nur zusätzliche Belastungen vermuten. Das will sich die CDU nicht leisten und hat deshalb lieber keine Vorlage eingebracht. Wahlkampftaktisch sollen die Wähler über Umweltutopien der Linken stöhnen.

So ganz verdammen will man die neuen Konzepte allerdings auch nicht. Mit vielen Punkten könnte die CDU leben. Aber die CSU blockiert vollständig. Das verlautete am Vortag der Debatte aus CDU-Kreisen in der Fraktion.

So hatte der CDU-Abgeordnete Hans-Peter Repnik im November einige „Eckpunkte der umweltorientierten Weiterentwicklung des Steuerssystems“ für die CDU formuliert, lehnte aber „eine umfassenden Umbau unseres Steuersystems ab“. Anfreunden kann er sich mit einer emissionsabhängigen Kraftfahrzeugsteuer und einer europaweiten C02-Energiesteuer. Wenn sich in diesem Jahr keine gemeinsame EU-Initiative abzeichnen sollte, könne auch über einen deutschen Alleingang nachgedacht werden, hieß es damals.

Weil die Union sich schwertut, auf den Zug Richtung ökologische Marktwirtschaft aufzuspringen, will die SPD sie notfalls mit einer Gegenleistung ködern: SPD-Zustimmung für die Änderung des Unternehmenssteuergesetzes. Das wäre ein echter Tauschhandel à la Bonn. Holger Kulick

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