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Schlepperkrieg auf der Elbe: Wütende Armada hetzt holländische Dumpingschiffe durch den Hafen

Elbe (taz) – Mit einem lautstarken Hupkonzert protestierten die Hamburger Schiffschlepperbesatzungen gestern mittag gegen ihre Billigkonkurrenz aus den Niederlanden. Eine Stunde lang war auf der Elbe nur noch ein Notservice für die einlaufenden Schiffe einsatzbereit. Der Rest der Flottille war am Protest beteiligt.

Seit Anfang des Jahres operieren vier in Rotterdam beheimatete Schlepper im Hamburger Hafen – mit um 40 Prozent niedrigeren Tarifen als die der Hamburger Schiffsassistenzbetriebe. Mit Erfolg: Zwölf Reedereien haben entweder ihre mit den Hamburger Betrieben auslaufenden Verträge oder sogar offenen Vertragsbruch dazu genutzt, die geltende Sozialpartnerschaft im Hamburger Hafen auszuhebeln.

Die zu 98 Prozent in der ÖTV organisierten Hafenarbeiter, Schlepperkapitäne und Maschinisten fürchten nun, arbeitslos zu werden – erst die Schlepperbesatzungen, dann die Festmacher, schließlich die einfachen Hafenarbeiter. Vergeblich suchten sie gestern während der Aktion das Gespräch mit den Kollegen auf den Dumpingschiffen: Diese fuhren vor der wütenden Armada in einer wilden Hetzjagd durch den Hamburger Hafen davon. Zurufe per Megaphon, doch endlich auch von der Reederei dem Tarifvertrag beizutreten, ignorierten die Besatzungen. – Ewald Raab, Schlepperkapitän und Betriebsratsvorsitzender bei einer der Schiffsassistenzfirmen, wies strikt darauf hin, daß der Groll sich nicht gegen die Kollegen auf den niederländischen Schiffen richten sollte: Zumeist sind es Langzeitarbeitslose aus Rostock, die sich auf ihren neuen Jobs noch in der Probezeit befinden. Raab: „Die sagen, wir verdienen hier endlich soviel Geld, daß wir unseren Kindern auch mal Wünsche erfüllen können.“ 40 Prozent der Lohnkosten der Langzeitarbeitslosen werden von der Bundesanstalt für Arbeit getragen. Die ÖTV fürchtet, daß dieses hafeninterne Zweitregister langfristig dazu führt, daß nicht nur Sicherheitsstandards unterlaufen werden, sondern auch die heute unter den Tarifverträgen Arbeitenden joblos werden. Eine Arbeitsmarktperspektive hätten sie nicht: Hafenfacharbeiter werden nur in Häfen gebraucht – und dort werden sie nicht mehr angeheuert, weil die Konkurrenz billiger arbeitet.Jan Feddersen

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