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Kunstsponsoring oder Sponsorenkunst?

■ Eine überaus harmonische Diskussion über Public-Private-Partnership

Die Situation ist bekannt: Kultur ist teuer, die Kasse leer. Privates Engagement ist angesagt, darüber waren sich die Teilnehmer des von der Berlin Partner GmbH, der Grundkreditbank und dem Tagesspiegel im ehemaligen Staatsratsgebäude veranstalteten zweiten Hauptstadtgesprächs am Donnerstag weitgehend einig. Das Motto des Abends lautete Public- Private-Partnership – ein Zukunftsmodell für Kulturförderung. Diskutanten auf dem Podium waren Jürgen Bostelmann von der Grundkreditbank, Christoph Stölzl vom Deutschen Historischen Museum, Wulf Herzogenrath, nach seinem Abgang als Hoffnungsträger der Neuen Nationalgalerie Direktor der Bremer Kunsthalle, sowie Winfried Sühlo, Staatssekretär bei der Kulturverwaltung.

Zunächst rückte Moderator Bernhard Schulz die Verhältnisse zurecht. Davon, daß man den Staat ganz „aus seiner Verantwortung entlassen“ wolle, könne keine Rede sein. Die Zahlen, die Schulz vorlegte, sprechen für sich: Rund 95 Prozent aller kulturellen Ereignisse in Deutschland werden von der öffentlichen Hand finanziert. Der Anteil, den Private beisteuern, beträgt dementsprechend bislang lediglich fünf Prozent. Anschließend versuchte Schulz das neudeutsche Zauberwort mit den drei P vom herkömmlichen, ebenso neudeutschen „Sponsoring“ abzugrenzen.

Demnach meint Public-Private- Partnership nicht die Unterstützung einzelner „Events“, sondern bedeutet, daß Unternehmen und Privatleute unter Verzicht auf spezielle PR-Aktionen in einen gemeinsamen Fonds einzahlen, aus dem sich Veranstalter bei Bedarf bedienen könnten. Allerdings war man mangels prägnanter Beispiele von PPP dann doch recht schnell wieder beim ordinären Sponsor angelangt.

Woran die hiesige Kulturlandschaft aus Sicht der Wirtschaftsbosse krankt, erläuterte Jürgen Bostelmann. Der größte Teil der Kulturausgaben bestehe derzeit in Personalkosten, bemängelte der Bankmanager. Hier müsse unbedingt „mehr Beweglichkeit“ geschaffen werden. Auch wäre es dringend notwendig, daß Theaterleiter und Museumsdirektoren lernten, effizienter zu wirtschaften. Den Verdacht unbotmäßiger Einflußnahme wies Bostelmann, seit Jahren einer der potentesten Sponsoren der Berliner Kunstszene, jedoch weit von sich. In den Gremien, in denen er vertreten sei – Bostelmann ist unter anderem Vorsitzender des Aufsichtsrats der senatseigenen Podewil GmbH –, habe er nur beratende Funktionen, kein aktives Stimmrecht.

Dagegen beklagte Christoph Stölzl, er habe als geschäftsführender Direktor der gemeinnützigen GmbH Deutsches Historisches Museum gar keine Möglichkeit, seine Sammlung stärker zu vermarkten, da das Haus sonst den Status der Gemeinnützigkeit verlöre. Souvenirs wie der Ur-Käfer als Spielzeugauto oder „Friedrich der Große aus Marzipan“ fänden sicher reißenden Absatz, dürften aber in absehbarer Zukunft nicht angeboten werden.

In diesem Zusammenhang machte Stölzl auch auf ein weiteres Problem aufmerksam, das gern übersehen wird: Die Steuergesetzgebung der Regierung Kohl verlangt von Unternehmen, die kulturelle Veranstaltungen fördern und die Aufwendungen abschreiben wollen, den Nachweis des wirtschaftlichen Nutzens ihres Engagements. Hier konnte Staatssekretär Sühlo Punkte sammeln: Er berichtete von einer von Berlin angeregten Bundesratsinitiative, die in der Angelegenheit für Verbesserungen sorgen soll. Der Erfolg dieses Vorstoßes aber steht bislang in den Sternen.

War bis dahin hauptsächlich von den Rahmenbedingungen von Sponsoring und Public-Private- Partnership die Rede, so lenkte Wulf Herzogenrath das Interesse auf die inhaltlichen Schwierigkeiten privater Kulturförderung. Ohne sich lange mit der fachlichen Inkompetenz der privaten Geldgeber aufzuhalten, verwies er auf eine ganz andere Hemmschwelle: die „Schere im Kopf“, die Kulturmacher dazu bringe, Projekte schon in der ersten Entwicklungsphase nach ihrer Akzeptanz bei potentiellen Sponsoren auszuwählen. Bezeichnend für die insgesamt ausgesprochen harmonische Geprächsrunde war, daß niemand auf Herzogenraths Einwand einging. Dabei hätte dem Thema des Abends ein dickes Fragezeichen durchaus gut angestanden. Ulrich Clewing

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