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Am Ende der Geduld?

■ Drei Tage zwischen Katastrophe und Attentat

Noch ein, zwei, vielleicht auch noch drei Tage wollen Polizei und Feuerwehr in der Asche der Lübecker Ruine stochern, bevor sie sich festlegen. Brandkatastrophe oder aber der in seiner Konsequenz furchtbarste Anschlag auf Flüchtlinge in Nachkriegsdeutschland. Drei Tage lang dürfen wir uns nun überlegen, ob wir in einem Land leben, in dem Flüchtlinge leider nur in Unterkünfte gepfercht werden können, die sich bei einem Zimmerbrand in tödliche Feuerfallen verwandeln. Oder ob wir uns eingestehen müssen, daß allein die Tatsache, anders auszusehen, bereits die tödliche Gefahr ist.

Wenn, dann...! Wenn sich herausstellt, daß die Flüchtlinge in Lübeck Opfer eines Terrorakts wurden, dann, so Bundespräsident Roman Herzog, gehe es mit seiner Geduld allmählich zu Ende. Das soll wohl heißen, nach Hoyerswerda, Rostock, Mölln, Solingen und Lübeck könne er nicht länger die Peinlichkeit ertragen, daß der gesammelte Repressionsapparat der Bundesrepublik einfach nicht willens oder in der Lage ist, solche Terrorakte zu verhindern. Wenn sich herausstellt, daß wiederum Neonazis Menschen, die in Deutschland Schutz vor Verfolgung suchen, bei lebendigem Leib verbrennen konnten, verlieren wir dann alle die Geduld, schlagen wir dann zurück? Was, wenn sich herausstellt, daß die Attentäter gar nicht wie böse Neonazis aussehen, sondern wie Jugendliche von nebenan, so wie in Solingen? Was, wenn zwei nette Jungs, die einfach von diesen Kanaken die Schnauze voll hatten, mal eben einen Molli in eine dieser praktischen Sammelunterkünfte geschmissen haben und dann ins Bett gegangen sind?

Wenn, dann sind wir erst einmal entsetzt. Dann zünden wir Kerzen an, stellen sie ins Fenster oder tragen sie um die Dorfkirche und zeigen, daß die ganz große Mehrheit in diesem Land dagegen ist, Menschen zu verbrennen, auch wenn sie schwarz oder braun sind. Danach diskutieren wir über die Ursachen, drehen uns rhetorisch im Kreis und setzen auf den zivilisatorischen Effekt unseres so aufgeklärten Diskurses. Danach verschärfen wir dann die Gesetze gegen Nichtdeutsche, weil ja die Gefahr, daß einem Flüchtling in Deutschland etwas passiert, um so geringer wird, je weniger hier sind.

Wenn es dann wieder brennt, wissen wir schon, was wir zu tun haben. Besser wäre aber doch, in Lübeck hätte einer dieser Flüchtlinge, unordentlich wie die ja nun mal sind, vergessen, seine Zigarette ordentlich auszudrücken. Ein Unglück ist zwar tragisch, aber doch eben ein Unglück. Jürgen Gottschlich

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