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■ Bosnische Kriegsflüchtlinge werden ausgewiesenKlarer Vertragsbruch

Wer ist eigentlich verantwortlich für die Einhaltung des Dayton-Vertrages durch Deutschland? Bundeskanzler Kohl gab mit seiner „Zeugen“-Unterschrift am 14. Dezember in Paris wenn keine völkerrechtlich formale, so doch zumindest eine verbindliche politische Garantie für das Abkommen. Darin ist die „freiwillige Rückkehr“ aller Flüchtlinge und Vertriebenen an den künftigen „Heimatort ihrer Wahl“ in Bosnien festgelegt. Nur wenige Stunden später, die Tinte von Paris war noch nicht trocken, beschlossen Kohls Innenminister Kanther und seine Amtskollegen aus den 16 Bundesländern, die Duldung für Bosnien-Flüchtlinge zum 31. März aufzuheben und danach mit einer „gestaffelten Rückführung“ zu beginnen.

Außenminister Kinkel verkündete derweil im In- und Ausland, Deutschland werde sich an die Prinzipien des Dayton-Abkommens halten. Nachdem der Beschluß der Innenministerkonferenz beim zuständigen UNO-Flüchtlingshochkommissariat (UNHCR) Kritik und bei den Betroffenen Beunruhigung und Angst ausgelöst hatte, handelte Kanther. Er und sein Hamburger Amtskollege Wrocklage (SPD) – stellvertretend für alle Bundesländer – demonstrierten auf der Genfer Flüchtlingskonferenz am 16. Januar volle Übereinstimmung mit den UNHCR-Prinzipien für eine freiwillige Rückkehr. Doch am Tag vor der Konferenz stellte die Berliner Ausländerbehörde unter Berufung auf den Beschluß der Innenminister bosnischen Flüchtlingen erste Bescheide zu: Sie müßten Deutschlands bis spätestens 31. Juli verlassen. Aus anderen Bundesländern sind ähnliche Fälle bekannt.

Dieses Chaos ist keineswegs entschuldbar mit dem föderalen Prinzip oder mit den unterschiedlichen Parteizugehörigkeiten des Außen- und des Innenministers in Bonn. Die Ausweisungsbescheide stehen nicht nur im Widerspruch zu deutschen Zusicherungen in Genf, sondern sie sind ein Bruch des von Kohl garantierten Dayton-Vertrages. In Frage gestellt ist die außenpolitische Zuverlässigkeit der Bundesrepublik Deutschland. Die Innenministerkonferenz hat am Freitag dieser Woche die Chance, die Verläßlichkeit wiederherzustellen und die tiefe Beunruhigung bei den Flüchtlingen zu beenden: indem sie das Bleiberecht für die Kriegsflüchtlinge ausdrücklich zunächst bis mindestens Ende Dezember verlängert. Weitere Entscheidungen sollten davon abhängig gemacht werden, wie viele Flüchtlinge bis dahin freiwillig zurückgekehrt sind und wie die Situation in Bosnien am Jahresende konkret aussieht. Andreas Zumach, Genf

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