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„Jetzt bin ich total erschöpft!“

■ Das Museum für Kunst und Gewerbe zeigt eine große Ausstellung „Erotik im alten Japan“

„Wo geht's denn hier zu der Ausstellung?“ fragt geheimnisvoll andeutend ein offensichtlich mit dem Museum nicht ganz so vertrauter Herr, der die Bilder mit den japanischen Liebesfreuden sucht. Mit der großen Ausstellung Erotik im alten Japan gewinnt das Museum für Kunst und Gewerbe ganz neue Besucherkreise. Doch nicht hiesigen Rotlichtbezirken soll Konkurrenz gemacht werden, die mehr als 150 „Frühlings- oder Kopfkissenbilder“ belegen vielmehr, welch' exquisite Kultur in japanischen Rotlichtvierteln herrschte.

Diese Viertel waren die elegantesten, vornehmsten und gepflegtesten der Städte, geradezu eine Gegenwelt zum Alltag. In der Edo-Zeit des 17.-19. Jahrhunderts machte die hochreglementierte Männergesellschaft aus Vasallen des Hofs und bürgerlichen Kaufleuten den ganzen Tokioter Stadtteil Yoshiwara zu einem Freiraum des Vergnügens.

Dort gab es, hinter nachts geschlossenen Toren, Luxusrestaurants und Theater, Musik und literarische Unterhaltung mit Geishas, denen die Prostitution verboten war. Für mehr körperliche Interessen sorgten Kurtisanen. Ihnen war das Verlassen dieses Viertels nur einmal im Jahr, zum Ausflug in die Kirschblüte gestattet. Aber man war nicht einseitig: Auch männliche Kabaukitänzer in Frauengewändern belebten die Szene.

Diese Welt spiegelt sich in erotischen Holzschnitten, die anonym von berühmten Künstlern ausgeführt wurden. Sie zeigen in hochästhetischem Umfeld erstaunliche Drastik und Übergröße im Detail, ein deutliches Zeichen eines ganz anderen Körperverständnisses als im christlich verbildeten Europa. Vollständige Nacktheit als solche galt dennoch als unehrenhaft, konnte sogar Bestrafung sein.

Als reizvoll gelten die Düfte und die Verpackung, wurden doch bis zu zwölf Gewänder übereinander getragen. So legen auch die Farbholzschnitte großen Wert auf deren Darstellung. Reizvoll waren ferner Details wie eine Nackenlinie und eben die Geschlechtsorgane.

Die Darstellungen sind oft mit dem Text einer durchgängigen Erzählung beschriftet, teils gar comicartig mit Sprechblasen versehen. Für diese Ausstellung wurden viele der altertümlichen Texte neu übersetzt. Einem Hündchen wird ein dreifaches Wau-Wau zugeschrieben, aber auch ganz andere Worte zwischen Poesie und Liebesgestöhn stehen dort: „... Na, Du scheinst es auch zu genießen, so wie Du reagierst.... Ach, was bist Du schön! Du Medizinbuddha des Bettes! Wie danke ich Dir herrlichem Frauenkörper. Jetzt bin ich total erschöpft...“

Was oft als Einzelbild bei europäischen Sammlern angekommen ist, gehört meist in den Zusammenhang von Serien und Büchern, die erotische Details von allbekannten Geschichten ausmalten, die außerhalb der Freudenviertel schamhaft verschwiegen wurden. Die „Shun-ga“ genannten Darstellungen dienten nicht nur den Männern, um ihre Wünsche zu erklären, sie wurden auch als im Familienbesitz gehütete Lehrbücher eingesetzt, die die Mutter vor der Hochzeitsnacht der Tochter auf das Kopfkissen legte.

Sexualität galt grundsätzlich nicht als verwerflich. Die Götter selbst unterweisen Mann und Frau in sexuellen Wonnen, Körpersäfte sind gut, Liebe und ihr Abbild schützen das Haus vor Insekten und Feuer. Um so erstaunlicher, daß sich Ende des 19. Jahrhunderts die japanische Haltung zu diesem Thema der europäischen anglich. Das führt zu dem kuriosen Ergebnis, daß es heute möglich ist, bei uns Shun-ga öffentlich zu zeigen, dies in Japan aber verboten ist.

Hajo Schiff

Katalog: Edition Braus, 69 Mark; Museum für Kunst und Gewerbe, bis 17. März

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