piwik no script img

Nur ein Dominostein

■ Die Krise bei Fokker ist eine deutsche Krise

Wirtschaftswunder haben in Deutschland Tradition. Daimler-Benz hat dem nun ein neues Kapitel mit interessanter Pointe hinzugefügt. Der größte deutsche Konzern ist für die größte Pleite in der niederländischen Geschichte verantwortlich und weist für 1995 mit sechs Milliarden Mark gleich noch den größten Verlust der deutschen Industriegeschichte aus. Die Daimler-Aktien wurden sogar vom Handel an der Börse ausgenommen. Da haben wir geradezu eine Kohlsche Ansammlung von historischen Momenten.

Desaströs ist dabei nicht unbedingt der Bankrott eines Flugzeugunternehmens. Auf dem Markt der Regionalflugzeuge drängeln sich nun einmal mehr Hersteller, als für einen guten Profit verträglich ist. Wer sich dort bei den Entwicklungs- und Herstellungskosten verkalkuliert, schlittert tief in die roten Zahlen. Das kommt in vielen Branchen vor, bei Flugzeugbauern ist nur die Verlustgröße eindrucksvoller.

Die Beteiligung bei Fokker ist jedoch nicht nur einfach ein dicker „Unternehmerfehler“, wie Schrempp den Konkurs abtat. Dahinter steckt vielmehr ein Scheitern der deutschen staatlichen Industriestrategie. Mit dem Rüstungs-, Luftfahrt- und Transportkonglomerat Daimler-Benz wollten die Deutschen immerhin auch im 21. Jahrhundert ein Wörtchen mitreden im Konzert der Nationen. Einsprüche des Kartellamts wurden beiseite gewischt und mit Milliardensubventionen ein militärisch-industrieller Riese geschaffen, kontrolliert nicht von der Regierung, sondern von Großaktionären wie der Deutschen Bank. Die alten Männer an der Macht hatten sich die Lieblingsspielzeuge ausgesucht, die schon immer viel galten im deutschen Maschinenbau-Wertesystem: Panzer, Autos, Lkw, Flugzeuge.

Gerade auf diesen Sektoren nun wird „made in Germany“ zerrieben: zwischen den Riesen aus den USA mit ihrem Binnenmarkt und einer Regierung, die auch in Sparzeiten auf eine hochgerüstete Armee setzt, auf der einen Seite und den neuen Billiganbietern aus Asien auf der anderen. Der Ausweg für die deutschen Unternehmen ist unklar. Nicht einmal die Konkurrenten in Europa schließen sich zusammen. Schließlich müßte die Leitung dann irgendwie aufgeteilt werden – ein Horror für jeden wahren Wirtschaftsführer. Da lauern sie lieber so lange, gestützt von Subventionen, bis es zu spät ist für den in Business-Kreisen vielgepriesenen „Turnaround“. Soviel zum Thema Kreativität und Standort Deutschland. Reiner Metzger

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen