: Neues über Gummibären
■ Bremen wird Hauptstadt – des Sandra-Bullock-Kults: 30 Betörte gründen den 1. deutschen Fanclub
Und das soll nun der Schwarm unserer heranwachsenden Herren sein. Pausbäckchen, Stupsnäschen, dazu ein breites Grinsen, das Maria & Margot Hellwig selbst mit vereinten Kräften nicht zustandebrächten. „Ein Star von strahlender Normalität“, urteilte der „Stern“ mit gönnerhafter Geste über Sandra Bullock. Frank aber geht das junge Herz auf, wenn er an „Sandy“ denkt. Und das dürfte 24 Stunden am Tag der Fall sein.
Denn Sandy ist allgegenwärtig im Leben von Frank Kempchen, 27, Lagerist. Von allen Zimmerwänden blicken Sandys Katzenaugen auf Frank herab. Sandy als Filmplakat, Sandy als Illustriertenfoto, Sandy als Raubkopie. Das Schärfste: Sandy in Lebensgröße, als „3-D-Aufsteller“. Ganz aus Pappe, aber trotzdem fast wie in echt. „Aus Amerika“, raunt Frank. Dort warb die Pappkameradin für Bullocks Kassenknüller „Während Du schliefst“. Jetzt prangt das gute Stück inmitten einer Dachkammer in der Bremer Neustadt. Nicht irgendeine Dachkammer: Kempchens Klause ist die (noch ziemlich geheime) Kommandozentrale des 1. Sandra-Bullock-Fanclubs auf deutschem Boden.
Denn anders als der „Stern“ findet Frank seine Sandy gar nicht normal. „Eher flippig“. Und „immer so spontan“. Irgendwie anders halt – schwer, Worte zu finden für solche Leidenschaft. Damit steht Frank nicht allein in der Landschaft. Sein Aufruf zur Fanclub-Gründung, als Kleinstanzeige im Dezember in diversen Filmmagazinen veröffentlicht, fand Widerhall allüberall. 30 junge Herren von Zürich bis Hamburg traten Kempchens Club seither bei. Gemeinsam wollen sie jetzt das Image des biederen Pausbäckchens bekämpfen; die Hollywood-Aufsteigerin des Jahres soll Kultstatus erhalten.
In Deutschland nämlich, klagt Kempchen, würden dem Publikum weite Teile der komplexen Sandy-Persönlichkeit vorenthalten. Das Bild der allzu braven Sandy dominiert hier die Titelblätter von „Bravo“ über „HörZu“ bis hinauf zu „Frau mit Herz“. Sandy, die „Powerfrau mit Herz“. Wie anders aber tönt die Filmpresse in USA: „Tough Cookie“, heißt es dort, was sich mit „hartes Kekslein“ nur unzureichend ins Deutsche übersetzen ließe. Dazu Fotos von Sandy mal in kesser, mal in verruchter Pose, so recht will das Laszive zwar nicht gelingen, aber Frank sammelt für den Fanclub dann halt doch alles, was er in die Finger kriegen kann.
Womit Sinn und Zweck des Fanclubs schon fast umfassend beschrieben wären. Sandy-Devotionalia in jeglicher Form gilt es zusammenzutragen, zu archivieren und der Gemeinschaft der Sandy-Fans zugänglich zu machen. Einem Videothekar schwatzte Kempchen eine verschlissene Kopie von „Hangmen“ ab, dem ersten Spielfilm (1987) mit nachweislicher Bullock-Beteiligung. Zwar darf sie hier nur vom CIA entführt und dann gerettet werden. Aber immerhin. Aus den Staaten zockte Kempchen „Privatfotos“ von Bullock ab, „bei ihr zuhause gemacht“; jetzt prangen sie hinter Klarsichtfolie über Kempchens Sandy-Schrein.
Wichtiger noch als der Bildertausch aber ist der Austausch von exklusiven Informationen über Sandy, die Vielgestaltige. Wer z.B. das Kreuzworträtsel des ersten Fanmagazins löst, erfährt, daß Sandy auf Gummibärchen steht. Daß ihre Mutter Opernsängerin und im Frankenland beheimatet ist. Die Gummibärchen schickt die Oma aus Nürnberg; „Sandy nascht diese tütenweise und am liebsten eisgekühlt.“ Ach ja: Sandy ist außerdem solo. Frank auch. „Meine Traumfrau“, sagt Frank. Traumziel: Über den Fanclub so nah wie möglich an die reale Sandy heranzukommen. tw
Kontakt: Tel. 04 21/ 50 27 57
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