: Abschiebeknast ist abgebrannt
■ Abschiebehäftling soll Matraze angezündet haben / Mit Rauchvergiftung im Krankenhaus
Das Bremer Abschiebegefängnis in der Ostertorwache ist gestern Nachmittag durch einen Brand verwüstet worden. Gegen 14.40 Uhr hatte ein 18jähriger Abschiebehäftling in seiner Zelle eine Matratze und Decken angezündet. Von dort griff das Feuer auf den Dachstuhl über. Kurz nach halb vier schlugen meterhohe Flammen aus der Ostertorwache, ehe die mit drei Löschzügen angerückte Feuerwehr den Brand unter Kontrolle brachte.
Offenbar hat der 18jährige das Feuer gelegt, um seiner Abschiebung zu entgehen. Der Häftling sollte gestern in die Türkei ausgeflogen werden, bestätigte die Einsatzleitung die Aussagen einer Flüchtlingsaktivistin gegenüber der taz.
Der Mann, dessen Namen inoffiziell mit Sahin angegeben wurde, kam mit einer Rauchvergiftung ins Krankenhaus. Nach Angaben des Einsatzleiters hat er die Brandstiftung gestanden. Es ist zu vermuten, daß es sich bei dem Häftling um einen Kurden handelt. Kurden wurden nach Aussagen der Asylgruppe Ostertor in letzter Zeit häufig und sehr schnell abgeschoben.
14 weitere Abschiebehäftlinge wurden gestern nachmittag unverletzt in Sicherheit gebracht. Gefangenentransporter fuhren elf von ihnen in den Knast nach Oslebshausen, drei wurden im Polizeirevier am Wall eingesperrt.
Von Zelle 20 im ersten Stock der Ostertorwache, wo der junge Mann vermutlich einsaß, hatte sich das Feuer durch die leicht brennbaren Holz und Rigipsdecken schnell an verschiedene Stellen ins Dachgeschoß des Hauses ausgebreitet. Feuerwehr und Polizei waren mit 60 Beamten im Einsatz. Trupps mit Atemgeräten konnten aber nach Angaben der Feuerwehr die verschiedenen Brandherde in dem niedrigen Dachboden nicht erreichen. Um kurz nach 15 Uhr drangen dichte Rauchwolken durch die Dachziegel. Wenig später brach der Dachstuhl an zwei Stellen ein und offene Flammen loderten aus dem mehr als 100 Jahre alten Gebäude. Der Ostertorsteinweg war stundenlang für den Verkehr gesperrt.
Zunächst hatte es nach Schilderung des Polizei-Einsatzleiters nach einer leichten Aufgabe für die Löschmannschaften ausgesehen. Die Feuerwehr glaubte den Brand bereits unter Kontrolle und wollte sich „Observierungsarbeiten“ zuwenden, hieß es. Doch sei das Feuer dann offenbar durch die leicht entzündliche „Dachhaut“ gelaufen.
Mit drei Löschzügen und zwei Drehleitern bekämpften die Beamten dann den Brand von außen. Der Einsatz dauerte am Abend noch an. Der Dachstuhl ist offenbar komplett vernichtet worden. Das Gebäude sei wohl nicht mehr nutzbar, hieß es.
Das Feuer von gestern ist keine Überraschung: Mehrmals war es schon zu Brandstiftungen im Zellentrakt gekommen. Zuletzt hatten Anfang Juli innerhalb einer Woche zwei Abschiebehäftlinge in ihren Zellen Feuer gelegt. Ein 26jähriger Kurde war dabei lebensgefährlich verletzt worden. Damals konnten die Wachleute mit Pulverlöschern die Flammen ersticken und einen Großbrand verhindern.
Flüchtlingsgruppen hatten schon seit längerer Zeit die Haftbedingungen für die Abschiebe-Kandidaten in den engen und schlecht belüfteten Kabuffs in der Ostertorwache kritisiert.
Mindestens vier Menschen hatten im vergangenen Jahr versucht, sich in der Ostertorwache das Leben zu nehmen. Im Abschiebeknast saßen Häftlinge bisweilen monatelang ohne sozialarbeiterische oder psychologische Betreuung in „Abschiebegewahrsam“. Auch das Landgericht hatte schon 1994 die Zustände in der Ostertorwache als „menschenunwürdig“ bezeichnet.
Zelle 20, wo jetzt vermutlich das Feuer ausbrach, ist ein dunkler Schlauch mit den Ausmaßen 2,70 mal sieben Meter, wo zeitweise bis zu fünf Menschen 23 Stunden am Tag zusammengepfercht waren. Andere Zellen sehen nicht viel anders aus. „Wenn ich nur einen Tag hier verbringen müßte, würde ich durchdrehen“, hatte Dieter Oehlschläger, der Leiter des Abschiebeknasts, seinerzeit gegenüber der taz gesagt.
Der Abschiebeknast sollte im März ohnehin in die Justizvollzugsanstalt Blockland verlegt werden. Die Wagenfeld-Stiftung will das historische Gebäude übernehmen und darin ein Museum einrichten. jof
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