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Militärputsch in der Wüste

■ Soldaten im Sahelstaat Niger stürmen den Präsidentenpalast und verhaften die gewählten Politiker. Begründung: Der Machtkampf der Parteien muß aufhören

Berlin (taz) – Es gibt viele gewählte Politiker in Niger. Die neun Millionen Bürger des hauptsächlich aus Wüste bestehenden Staates in Afrikas Sahelzone sind in den letzten Jahren mehrfach an die Urnen geschritten – und erkoren jedesmal einen anderen Sieger. 1993 bei den Präsidentschaftswahlen siegte der Ökonom Mahamane Ousmane von der „Sozialdemokratischen Konvention“ (CDS), die aus dem Widerstand gegen die 1991 beendete Militärdiktatur hervorgegangen war. 1995 bei den Parlamentswahlen gewann Hama Amadou von der „Nationalbewegung für die Entwicklungsgesellschaft“ (MNSD), die frühere Einheitspartei. Präsident Ousmane und Premierminister Amadou konnten sich nicht leiden. Nun haben sie beide die Macht abgeben müssen – das Militär hat geputscht.

Der Putsch erfolgte am Samstag, als im Präsidentenpalast ein Treffen der CDS-Spitze stattfand. Einheiten der Armee, geführt von Generalstabschef Ibrahim Barre Mainassara, stürmten den Palast und überwältigten die Präsidialgarde. Der Präsident wurde festgenommen und unter Hausarrest gestellt, ebenso später Premierminister Amadou. Die Armee besetzte den Staatsrundfunk, verkündete den Ausnahmezustand, das Verbot aller politischen Parteien und die Auflösung des Parlaments und gründete einen zwölfköpfigen „Rat des Nationalen Heils“ unter Generalstabschef Mainassara.

In einer Ansprache begründete Mainassara gestern seinen Putsch mit revolutionären Tönen: „Die arbeitenden Massen“, sagte er dem mehrheitlich aus Bauern und Händlern bestehenden nigrischen Volk, „sind zur Geisel einer politischen Klasse geworden, die unfähig ist, sich an die Erfordernisse einer demokratischen Machtausübung zu gewöhnen.“

Auf den Straßen der Hauptstadt Niamey wurde der Putsch nach Berichten der Nachrichtenagentur AFP gemischt begrüßt. „Wir sind mit euch, aber bleibt nicht zu lange!“ rief eine Gruppe Jugendlicher einer Armeepatrouille zu. Tatsächlich hatte der Machtkampf zwischen Präsident und Premierminister in den letzten Monaten das Land gelähmt. Schon im Sommer 1995 ernannten die beiden Landesväter rivalisierende Führungen für die Staatsbetriebe, die die formelle Wirtschaft des Landes beherrschen. Dann brach im November das erst im April geschlossene Abkommen mit den Tuareg- Rebellen zusammen, nachdem Soldaten im Norden am 21. November eine Einheit der Rebellenfront ORA angriffen und anschließende Kämpfe 60 Tote forderten. Die ORA kündigte das Friedensabkommen auf, und Mitte Dezember kam bei einem mysteriösen Flugzeugabsturz einer der Rebellenführer, Mano Dayak, zu Tode. Seitdem wurde spekuliert, das Militär wolle den Frieden torpedieren.

Zuletzt erfaßte der Streit die gesamte Wirtschaft. Ende Dezember verabschiedete das Parlament einen Staatshaushalt. Der Präsident lehnte ihn wegen der darin enthaltenen Steuererhöhungen ab. Das Oberste Gericht erklärte das Vorgehen des Präsidenten am 16. Januar für illegal. Daraufhin brach Streit innerhalb Ousmanes CDS aus. Über diesen Streit beriet am Tag des Putsches die Parteispitze.

Nun steht zu befürchten, daß die neuen Machthaber einfach eine Rückkehr zu den Verhältnissen vor der 1991 begonnenen Demokratisierung anstreben. Sie haben für heute ein Treffen mit den Leitern der Staatsbetriebe angesetzt, die zum großen Teil zur Elite der früheren Diktatur gehören. Und einen der wichtigsten Akteure in Nigers Politdrama haben sie nicht verhaftet: Mahamadou Issoufou, Parlamentspräsident und früherer Direktor der nigrischen Uranminen. Issoufou hatte den Wiederaufstieg der früheren Staatspartei eingeleitet, als er sich 1994 von der Seite des Präsidenten auf die Seite der MNSD stellte und damit die Neuwahlen erforderlich machte, die Amadou den Posten des Premierministers brachten.

Frankreich, das in Niger als Verbündeter des Militärs gilt, hat die Einstellung der Zusammenarbeit mit dem neuen Regime verkündet. Deutschland, das seine Hilfe für Niger in letzter Zeit von demokratischen Verhältnissen abhängig gemacht hat, dürfte diesem Schritt folgen. Fraglich ist die Haltung der Weltbank, die Niger erst im Dezember einen Kredit von 26,7 Millionen Dollar gewährte. Sie will in den nächsten Monaten die Privatisierung der nigrischen Staatsbetriebe durchsetzen – ein Vorhaben, an dem Nigers alte Elite nur dann ein Interesse haben dürfte, wenn sie selbst zu den Käufern zählt. Dominic Johnson

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