Raketenkrieg zwischen Indien und Pakistan

■ Kaschmir: Unabhängigkeitsbewegung und Muslime appellieren an die UNO

Islamabad/Jammu (AFP) – Der Konflikt zwischen Indien und Pakistan ist am Wochenende wieder aufgebrochen. Im Grenzgebiet in Kaschmir lieferten sich indische und pakistanische Truppen am Samstag heftige Gefechte. Die Situation hatte sich zugespitzt, nachdem die Regierung in Islamabad Indien beschuldigt hatte, bei einem Raketenangriff auf eine Moschee im pakistanischen Teil Kaschmirs am Freitag mindestens 20 Menschen getötet zu haben. Bei einem zweiten Angriff auf die pakistanische Grenzstadt Rawalakot seien zwei Menschen ums Leben gekommen. Das Verteidigungsministerium in Delhi wies die Vorwürfe als „haltlos“ zurück. Indischen Angaben zufolge flohen gestern mehrere hundert Menschen aus der Grenzregion. Verschärft wurde die Spannung noch dadurch, daß Indien an Samstag eine Rakete testete, die auch Atomsprengköpfe transportieren kann. Die beiden Boden-Boden-Raketen vom Typ Prithvi schlugen nach pakistanischen Angaben während des Freitagsgebetes in der Moschee der Stadt Kahuta unweit der Grenzlinie zwischen dem pakistanischen und dem indischen Teil Kaschmirs ein. Ein Sprecher des pakistanischen Außenministeriums warf Indien vor, mit der Wahl des Zeitpunkts einen „maximalen Verlust an Menschenleben“ beabsichtigt zu haben. Pakistans Präsident Faruk Leghari versicherte gestern, daß sein Land auf den Angriff „reagieren“ werde. Der Senat in Islamabad verurteilte die Angriffe als „weiteres Beispiel für die Aggression und kriminelle Haltung Indiens“.

Führende Vertreter der Jammu und Kaschmir Befreiungsfront (JKLF) und der muslimischen Gemeinde riefen die UNO zum Eingreifen auf. „Die Geplänkel können jederzeit in einen richtigen Krieg münden“, sagte der höchste muslimische Priester, Umar Faruk. Im Grenzgebiet zwischen Pakistan und Indien sind 40 UN-Blauhelm- Soldaten stationiert.

Über die Lage in Kaschmir gab es gestern widersprüchliche Informationen: Während ein pakistanischer Militärsprecher sagte, die Situation sei „ruhig“, erklärten indische Militärs, es gebe weiterhin heftige Maschinengewehrgefechte. Zugleich warfen sie den pakistanischen Einheiten vor, gezielt Zivilisten zu beschießen. Die rund 250 Menschen, die vor den Kämpfen ins Innere der Provinz flohen, seien vermutlich nur die erste Flüchtlingswelle, sagte ein indischer Vertreter. Bei der am Samstag in der ostindischen Bundesstaat Orissa getesteten Rakete handelte es sich um ein Prithvi- Modell mit einer Reichweite von 150 bis 250 Kilometern. Diese Raketen wurden von Indien nach Angaben pakistanischer Militärs für einen Angriff auf das Nachbarland entwickelt.