: Regierungsamtliches Sparkonzept
■ Bonn will Steuervergünstigungen in Höhe von 30 Milliarden Mark streichen
Bonn (AFP/taz) – Oskar Lafontaine forderte gestern die Bundesregierung auf, endlich zu sagen, was sie konkret zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit tun wolle. Eine Antwort wird der SPD-Chef bald erhalten, doch sie dürfte ihm nicht unbedingt schmecken. Denn die Bundesregierung plant, Steuervergünstigungen von mehr als 30 Milliarden Mark zu streichen. Nach Informationen des Spiegel sei zudem eine Erhöhung der Mehrwertsteuer keineswegs mehr ausgeschlossen. Auf diese Weise sollen unter anderem die Lohnnebenkosten reduziert werden. Details werde die Regierung aber erst nach den Landtagswahlen im März offenbaren. Bislang hatte Bundeskanzler Kohl eine Mehrwertsteuererhöhung ausgeschlossen.
Die Liste der zu streichenden Steuervergünstigungen ist von dem Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium, Johannes Ludewig, erarbeitet worden. Sie umfaßt unter anderem:
– Die Aufhebung von Steuerbefreiungen u. a. für Nacht- und Feiertagszuschläge, Erziehungs- und Wohngeld. Dadurch wird eine Mehreinnahme von 10,1 Milliarden Mark erwartet.
– Die Senkung des erst 1990 eingeführten Arbeitnehmerfreibetrages von 2.000 auf 1.000 Mark (Mehreinnahme: 5,5 Milliarden Mark).
– Besteuerung der Veräußerungsgewinne bei Grundstücken, außer bei selbstgenutztem Wohneigentum (3,5 Milliarden Mark).
– Streichung des Kilometergeldes von 70 Pfennig je Kilometer für Autofahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte. Statt dessen soll eine Entfernungspauschale für alle Verkehrsmittel von 20 Pfennig je Kilometer eingeführt werden (3,5 Milliarden Mark).
– Höhere Besteuerung von außerordentlichen Einkünften, zum Beispiel Entschädigungen oder Firmenverkäufe (2,8 Milliarden Mark).
– Streichungen von Vergünstigungen für bestimmte Berufsgruppen (2,6 Milliarden Mark).
– Höhere Besteuerungen der Sozialrenten (1,5 Milliarden Mark).
– Wegfall von Sonderabschreibungen für kleine und mittlere Betriebe und im Wohnungsbau (1,5 Milliarden Mark).
Dafür will Finanzminister Theo Waigel, nach Informationen des Spiegel, den Steuertarif für alle Bürger in Höhe der Mehreinnahmen kappen. Zudem sei an einen Wegfall der Vermögenssteuer und Korrekturen bei der Erbschaftssteuer gedacht.
Laut Spiegel soll der Staat zur Entlastung der Sozialkassen zusätzlich eine zweistellige Milliardensumme aufwenden. Zu diesem Zweck sei zu prüfen, ob eine Erhöhung der indirekten Steuern nötig sei.
Baden-Württembergs Ministerpräsident Erwin Teufel (CDU) schlug vor, die Sätze der Einkommen-, Körperschaft- und Lohnsteuer radikal zu senken. Teufel sagte, er denke an eine Kürzung um „wenigstens zehn Prozentpunkte“. Dies würde den Standort Deutschland für zusätzliche Auslandsinvestitionen attraktiver machen. Der FDP-Wirtschaftsexperte Otto Graf Lambsdorff, erklärte außerdem, Kürzungen von Arbeitslosengeld, Lohnfortzahlungen und Subventionen dürften nicht tabu sein.
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