Hessische Ministerin lobt Hoechst

■ Grüne Fraktion korrigiert grüne Ministerin

Frankfurt/Main (taz) – Nach dem Störfall bei der AgrEvo Chemie vergangenen Sonnabend und dem zweiten Störfall vom Sonntag (Seite 1) hängt bei den hessischen Bündnisgrünen der Haussegen schief. Denn während der umweltpolitische Sprecher der Landtagsfraktion, Horst Burghardt, die Informationspolitik der Hoechst AG und der AgrEvo GmbH noch am Samstag scharf kritisiert hatte, lobte Umwelt- und Gesundheitsministerin Margarethe Nimsch (Bündnisgrüne) gestern den Konzern über den grünen Klee. Es sei zu begrüßen, so Nimsch in einem Gespräch mit dem Hessischen Rundfunk, daß die Hoechst AG umgehend zugegeben habe, daß es sich bei dem freigesetzten Isoproturon, das als weißes Pulver über den Stadtteilen Goldstein und Griesheim niederging, um eine hochgiftige Substanz handele.

Tatsächlich aber hatte die AgrEvo-Mutter Hoechst in ersten Meldungen am Sonnabend verlautbaren lassen, daß Isoproturon nur eine „mindergiftige“ Chemikalie sei. Sauer aufgestoßen ist einigen Mitgliedern der Partei auch, daß Nimsch auf ihrer Pressekonferenz am Sonntag offenlegte, daß sie nur die Anlage, die bei dem Störfall ohnehin zerfetzt wurde, hat stillegen lassen. Zwei weitere Anlagen der AgrEvo auf dem Gelände der Hoechst AG in Griesheim zur Herstellung von Isoproturon seien weiter in Betrieb.

Offiziell wollte Burghardt seine Ministerin zwar nicht kritisieren, doch in einer gestern veröffentlichten Presseerklärung moniert die Fraktion noch einmal deutlich die „Desinformationspolitik“ der Hoechst AG: „Wie vor drei Jahren bei dem ersten großen Störfall wollte die Hoechst AG zuerst verharmlosen. Die Firma hat zunächst nicht darauf hingewiesen, daß es sich bei dem Pflanzenschutzmittel um eine gesundheitsgefährdende Substanz handelt.“ Daß Nimsch zudem auf ihrer Pressekonfernz kritische Nachfragen etwa von Greenpeace nach dem Sinn der Produktion karzinogener Pflanzenschutzmittel, die permanent das Grundwasser verseuchten, unbeantwortet ließ, hat für zusätzliche Irritationen gesorgt. Burghardt stellte klar, daß nicht nur dieser Unfall zeige, wie wichtig die Ökologisierung der Landwirtschaft sei: „Wenn nicht um des Profits willen die Landwirtschaft immer stärker durch den Einsatz der Gentechnologie intensiviert würde, wäre die Herstellung vieler solcher Pflanzenschutzmittel gar nicht mehr nötig. Und die Bevölkerung bliebe von solchen Giftmixturen verschont.“ Gerade die AgrEvo Chemie sei doch dabei, Nutzpflanzen gentechnisch so zu verändern, daß sie dann die von der AgrEvo selbst hergestellten Unkrautvernichtungsmittel überleben. Klaus-Peter Klingelschmitt