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Der Solidaritätszuschlag wird ab 1997 auf 5,5 % gesenkt. Das wurde gestern in Bonn zwischen den Koalitionsparteien ausgehandelt. Der Kanzler weiß: Sein schwächlicher Partner FDP braucht den Erfolg. Zusammen inszenieren sie ihn: Vor den anst

Der Solidaritätszuschlag wird ab 1997 auf 5,5 %

gesenkt. Das wurde gestern in Bonn zwischen den Koalitionsparteien ausgehandelt. Der Kanzler weiß: Sein schwächlicher Partner FDP braucht den Erfolg. Zusammen inszenieren sie ihn: Vor den anstehenden Landtagswahlen wollen sich die Liberalen unbedingt als Steuersenkungspartei profilieren. Für die SPD blieb völlig unklar, woher Waigel das Geld für die Senkung nehmen will. Sie kritisierte das demonstrative Eingehen der Union auf die FDP-Forderungen gestern denn auch als „Roßtäuscherei“ und „FDP-Rettungsaktion“.

Demonstrative Solidarität mit siecher FDP

Soviel Zuversicht herrschte schon lange nicht mehr im Bonner Thomas-Dehler-Haus: Schon Stunden vor Beginn der Koalitionsgespräche über den Abbau des Solidaritätszuschlags verbreitete gestern ein aufgeräumter FDP-Parteichef Wolfgang Gerhardt optimistische Prognosen über den Ausgang der anstehenden Verhandlungen mit der Union. Der Chef der Liberalen mußte nicht fürchten, nach großen Versprechungen am Abend doch noch mit leeren Händen dazustehen. Seit dem Strategiegipfel der Union am Wochenende durften sich die Liberalen vielmehr sicher sein, daß ihnen Kanzler Helmut Kohl (CDU) und Finanzminister Theo Waigel (CSU) gestern deutlich entgegenkommen würden.

Sieben Wochen vor den Landtagswahlen in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Schleswig-Holstein, bei denen es für die angeschlagene FDP um alles geht, gönnt die Koalition ihrem schwächsten Partner einen inszenierten Erfolg: Nach schwierigen Verhandlungen einigten sich die Regierungsparteien gestern nachmittag auf eine Senkung des Solidaritätszuschlags von 7,5 auf 5,5 Prozent ab 1997.

Monatelang hatte sich die FDP- Mehrheit darum bemüht, linksliberalen Ballast abzuwerfen und sich vor allem als Steuersenkungspartei zu profilieren. Mit enervierender Regelmäßigkeit wurden Zugeständnisse zur Senkung des Solidaritätszuschlags eingeklagt.

Die Stabilität der Koalition stand gar auf dem Spiel, als mehrere liberale Abgeordnete damit drohten, den Bundeshaushalt im Herbst abzulehnen, falls die Union am 7,5prozentigen Soli-Zuschlag festhalten wolle.

Nun scheint Kohl die knappe Mehrheit, die der bedrohte Partner seiner Regierungskoalition sichert, mit aller Macht verteidigen zu wollen, um Neuwahlen zu verhindern: Die Liberalen dürfen als Steuersenkungspartei in die Landtagswahlkämpfe ziehen. Dafür mußte Kohl dem Partner Zugeständnisse machen, die auf den Widerstand prominenter Unionspolitiker aus den neuen Ländern stoßen. Das Thema Große Koalition, das vor allem viele Grüne in den vergangenen Wochen geängstigt hatte, scheint dagegen in Bonn vom Tisch.

Finanzminister Waigel aber muß für jede Steuermark, auf die er zugunsten der Koalitionsstabilität verzichtet, neue Geldquellen auftun. Drei Milliarden Mark, so rechnet der CSU-Politiker, seien vom Bund an die alten Länder an Umsatzsteueranteilen zuviel gezahlt worden. Den Betrag sollen die Staatskanzleien für Transferzahlungen an den Osten zurückgeben.

Warum die alten Bundesländer bereit sein sollen, freiwillig Geld nach Bonn zu schicken, bleibt Waigels Geheimnis. Eine solche Zusage werde der Finanzminister nicht erhalten, sagte denn gestern prompt der finanzpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Joachim Poß, voraus. Völlig unklar, so kritisierte Poß, sei angesichts der Finanzmisere von Bund, Ländern und Gemeinden, woher Waigel Geld für die Senkung des Solidarzuschlags nehmen wolle. Das demonstrative Eingehen der Union auf die FDP-Forderungen bezeichnete Poß denn gestern auch als „Roßtäuscherei“ und „FDP-Rettungsaktion“.

Aber auch Parteifreunde Waigels und Kohls aus den Staatskanzleien müssen in erster Linie an die eigenen leeren Landeskassen und erst in zweiter an ihre Parteibücher denken. Bayerns Ministerpräsident Stoiber (CSU) hatte schon am Wochenende in Wildbad Kreuth erklärt, er sehe kein Spielraum für eine Rückgabe von Umsatzsteueranteilen an den Bund.

Spitzenpolitiker der Union aus den neuen Ländern dagegen lehnen die Wahlkampfhilfe für den Bonner Koalitionspartner mit dem Argument ab, sie werde in Ost- deutschland als Aufkündigung der Hilfe für den Aufbau in den neuen Ländern verstanden: „Den Solidaritätszuschlag abzuschaffen bedeutet, die Solidarität aufzukündigen“, warnte Bernhard Vogel, Thüringens CDU-Ministerpräsident.

Dagegen soll sein Parteifreund und Amtskollege Erwin Teufel, dem in Stuttgart in sieben Wochen Wahlen ins Haus stehen, von der Koalition noch vor den Landtagswahlen ein Startsignal zum Steuerabbau verlangt haben. Daß die baden-württembergischen Sozialdemokraten, die mit der CDU eine Große Koalition bilden, den Bundesfinanzminister bei dem Versuch der FDP-Stützung mit schwäbischen Finanzen unterstützen, kann sich wohl Teufel selbst nicht vorstellen.

Neue Einnahmen aber braucht der Finanzminister, wenn er Steuersenkungen gewähren, Arbeitskosten entlasten und gleichzeitig die Kriterien von Maastricht erfüllen will. Arbeitsgruppen innerhalb der Regierung feilen deshalb längst an einem „Katalog der Grausamkeiten“ (Spiegel), von dem immer neue Einzelheiten an die Öffentlichkeit dringen. Auch eine Erhöhung der Mehrwertsteuer wird längst diskutiert.

Hohe Erwartungen an seine heutige Vorstellung des Jahreswirtschaftsberichts, der Vorschläge zur Senkung der Arbeitskosten enthalten soll, hat Wirtschaftsminister Günter Rexrodt (FDP) vorsorglich gedämpft. Einzelheiten einer radikalen Reform der Einkommen- und Körperschaftsteuer werde er noch nicht nennen. Die schmerzhaften Details, so zeigt die Ankündigung des Wirtschaftsministers, spart sich die Bundesregierung für die Zeit nach den für die FDP so wichtigen Landtagswahlen auf. Hans Monath, Bonn

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