: Türkischer Pop aus dem Kassetten-Automaten
■ In 60 Restaurants und Imbissen gibt es Musikkassetten aus dem Automaten
Ein Kondomautomat neben dem Döner-Imbiß? Oder gibt es hier ‘ne Lucky Strike zu ziehen? Der poppig mint-grün gestylte Automat erregt seit Anfang des Jahres an über 60 Plätzen Aufmerksamkeit. Aus ihm kommen jedoch weder Verhüterli noch amerikanische Glimmstengel – hier steckt Musik drin. Für sechs Mark kann jeder sich seinen Geschmack ziehen – in Form einer türkischen Musikkassette.
„Müzigin zevkine varin“ – „Kommen Sie in den Genuß von Musik“ steht auf jedem Automaten. Erfunden hat diese – nach eigenen Angaben – Weltneuheit der 23jährige Yilmaz Aras. Zwei Jahre lang verkaufte der geborene Ost- Anatolier türkische Klänge von Folklore bis Pop in seinem Geschäft im Wedding. Nach Ladenschluß war es jedoch aus mit neuen Hits aus der Konserve. Viele seiner Landsleute und Kunden hätten sich darüber beklagt. „Da bin ich irgendwann auf die Idee mit den Kassettenautomaten gekommen“, sagt Aras.
Zusammen mit seinem Kompagnon Mesut Tekin und Sponsor Klaus-Dieter Gilles gründete er die KATEK (Kassetten Technologie) Vertriebs GmbH und stellte im Januar seine ersten peppig-poppigen Automaten auf. Bisher sind sie in türkischen Restaurants, Imbissen und Diskotheken zu finden, aber Größeres ist geplant. Die Musikkassetten-Automaten sollen ihren Platz im Berliner U-Bahn-Netz bekommen, die Bewerbung an die Berliner Verkehrs-Betriebe ist schon abgeschickt. Auch im türkischen Generalkonsulat soll es bald Musik zu ziehen geben. Generalkonsul Riza Erkmenglu ist von der Idee begeistert, „aber erst müssen sie sich mit ihrem Projekt in der Stadt beweisen, dann dürfen sie auch hier einen aufstellen“.
Die Firma Grünig-Poth aus Fürth, Europas Spezialist für Zigarettenautomaten, funktionierte mit geringfügigen Änderungen übliche Automaten um. Jeweils fünf verschiedene Neuheiten der türkischen Musikszene stehen zur Auswahl. Die angebotene Musik richtet sich vor allem nach den Standorten. „In der Disko sind es die neuesten Renner, in Veranstaltungsräumen auch mal Volksmusik“, sagt Aras. Türken seien absolute Musikfanatiker: „Bevor der Zündschlüssel im Auto umgedreht wird, muß immer erst die Kassette reingeschmissen werden.“
Nach den ersten Wochen mit dem Automatengeschäft kann Aras den finanziellen Erfolg noch nicht beziffern. „Das ist wie mit einem Baby, erst krabbelt es nur, bald läuft es.“ Aber er ist sehr zuversichtlich und hofft, daß bald Araber und andere Nationalitäten Interesse an seinen Automaten haben. „Im Radio läuft hier doch nix für Ausländer“, meint Aras. Später hofft er, die Neuheit auf dem internationalen Markt mit Lizenzvergaben durchsetzen zu können. Den ersten Schritt hat Aras schon getan, er stellte seine Weltneuheit in der vergangenen Woche auf der internationalen Fachmesse für Unterhaltungs- und Warenautomaten in Frankfurt vor. „Mal sehen, was das nach sich zieht.“ Imke Hendrich, dpa
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