: Adlershof wird zur Großbaustelle
Der neue Senat will den Universitäts- und High-Tech-Standort Adlershof weiterentwickeln. 1996 soll das Jahr der Baukräne werden. HU plant Neubauten für rund 770 Millionen Mark ■ Von Rolf Lautenschläger
Der Vergleich mit Europas größter Baustelle am Potsdamer Platz sei durchaus berechtigt, meinte Hans Peter Stihl, Vorstandsvorsitzender des Wissenschafts- und Wirtschaftsstandort Adlershof (Wista), gestern anläßlich einer Rundfahrt über das Gelände. Schließlich werde eine halbe Universität gebaut. 10.000 Arbeitsplätze würden geschaffen und in den kommenden zehn Jahren Investitionen von rund fünf Milliarden Mark getätigt. „Adlershof ist eine Großbaustelle“, so Stihl. „Nahezu jeden Monat“ werde ein Gebäude eingeweiht oder ein Richtfest gefeiert. Und die Planungen für die neuen Institute der Humboldt-Universität (HU) kämen ebenfalls gut voran.
Hans Peter Stihl ist Optimist aus Profession, der Vergleich mit dem Potsdamer Platz darum Wunschdenken. Immerhin. Drei, vier Kräne drehen sich heute über dem riesigen Areal, auf dem bis 1989 Wachregimenter der NVA, die Akademie der Wissenschaften und Defa-Fernsehstudios residierten. Fertiggestellt sind bislang die Gebäude des Gründungs- und Innovationszentrums (IGZ), das für 42 Millionen realisiert wurde. Und auch am Wista-Verwaltungsbau legen die Handwerker letzte Hand an. Die Teilchenbeschleunigungsanlage Bessy II steht im Rohbau, ein Gebäude für Informationstechnik wird gerade hochgezogen und die Baugrube für ein Photonikzentrum gebuddelt. Weiter ist die Wista bei der Sanierung alter Forschungsgebäude. 23 denkmalgeschützte Häuser werden modernisiert. In den Erhalt und die Weiterentwicklung des Technoparks mit derzeit 15 wissenschaftlichen Einrichtungen und über 170 Firmen investierte die Wista 1995 knapp 100 Millionen Mark.
Nachdem der neue Senat signalisierte, das Entwicklungsgebiet Adlershof nicht zu „strecken“ oder gar zu kippen, sieht Stihl das Jahr 1996 als das der großen Neubaumaßnahmen. „Das Jahr 1995 war geprägt durch Architektenwettbewerbe, 1996 verstärken wir die Bautätigkeit.“ Institute für Unternehmen der Umwelttechnik oder Informatik würden für 190 Millionen entwickelt. Noch wichtiger aber sei der Beginn für den neuen naturwissenschaftlichen Campus der Humboldt-Universität (HU).
Das Unternehmen, für 770 Millionen Mark die Fachbereiche für Biologie, Physik, Mathematik und Informatik, Geologie, Pharmazie und Psychologie an dem neuen Standort zusammenzufassen, ist für Michael Müller-Preußker von der HU eine Aufgabe von „erstrangiger wissenschaftlicher Bedeutung“. Denn das Uni-Ensemble mit rund 5.000 Studienplätzen werde „komplettiert“ durch eine elektronische High-Tech-Zentralbibliothek für Studenten und Wissenschaftler. Die Entwürfe für vier Institute, darunter ein amöbenförmiges Optik-Fachgebäude seien bereits abgeschlossen. So ganz hat sich aber auch Müller-Preußker noch nicht mit dem Mega-Standort draußen vor den Toren der Stadt angefreundet.
Der „Vorzeigecampus“, wie Stihl die Zukunft ausmalt, bedeute für Studenten mit geistes- und naturwissenschaftlichen Fächerkombinationen lange Fahrzeiten, wenn wie geplant Doppelangebote an HU und TU dem Rotstift des Senats zum Opfer fallen. Hinzu kommt, daß der Standort für lange Zeit einem staubtrockenen Gebilde gleicht: Wer seine Examensarbeit feiern will, sucht vergebens nach einer Theke.
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