: Schwarz bis Grün für Methadon
■ Hamburger Allparteien-Schimpfe für die Krankenkassen / Setzt Substitutionsfeind Seehofer die AOK unter Druck? Von Silke Mertins
„Suchtkranke haben einen Rechtsanspruch auf Methadon.“ Seit Einführung des Hamburger Methadonprogramms sei die Zahl der Drogentoten erheblich verringert und Suchtkranke hätten die Chance, wieder ein normales Leben zu führen. Eine Integration, die ermöglicht, daß verelendete Junkies wieder arbeiten, wieder „Steuerzahler und damit auch Beitragszahler der Krankenkasse werden“. Wer da so lobt hat kein grünes Parteibuch; es ist der CDUler Sieghard-Carsten Kampf. Und das gesamte Parlament steht hinter ihm.
Erstmals hat sich gestern in der Hamburger Bürgerschaft eine Allparteien-Koalition zur Drogenpolitik gebildet. Von Schwarz bis Grün appellieren alle Fraktionen an AOK und Innungskrankenkassen, die „starre Haltung“ aufzugeben und die Fortsetzung des „lebensrettenden Programms“ zu ermöglichen.
Der Senat höchstselbst will dafür sorgen, daß die Verhandlungspartner an den Tisch zurückkehren. Der AOK ist die Weiterführung des erfolgreichen Modellversuchs zu teuer. Sie hat einen neuen Vertrag platzen lassen, sagt sie. Doch nach Informationen der GAL ist es der Substitutionsfeind Bundesgesundheitsminister Horst Seehofer, der die Bundes-AOK bedrängt. „Seehofer hat massiv Druck auf die AOK ausgeübt, weil er im Hamburger Methadon-Programm eine unzulässige Leistungserweiterung sieht“, so der GAL-Gesundheitsexperte Peter Zamory. „Deswegen können wir trotz der gemeinsamen Erklärung die Hamburger CDU nicht aus der Verantwortung entlassen.“
Die Folgekosten für den Abbruch des Methadon-Programms, betonten alle Parteien in trauter Eintracht, wären für die AOK ungleich höher; Hepatitis und Aids-Infektionen zum Beispiel.
Nicht umsonst könne die AOK nun ihre Beitragssätze senken, erkannte auch Gesundheitssenatorin Helgrit Fischer-Menzel (SPD). Der Risiko-Strukturausgleich zwischen den Krankenkassen werfe einen ordentlichen Batzen für die AOK ab. „Die Forderungen der AOK sind unerfüllbar“, hob Fischer-Menzel den Zeigefinger. Sie könnte sich des Eindrucks nicht erwehren, daß die AOK die „Hürden so hoch“ hänge, „um mögliche Kompromisse gar nicht erst zuzulassen“. Deswegen seien die Verhandlungen gescheitert.
14 Millionen kostet der medizinische Part des Substitutionsprogramms. Doch 2/3 davon geben die Krankenkassen für unsinnig viele Urinproben aus. Diese Tests auf ein sinnvolles Maß zurückzuschrauben war der überparteiliche Sparvorschlag. Nicht die AOK gebe den „Löwenanteil“ für die Substitution aus, sondern die Stadt: Allein 9,5 Millionen für die psychosoziale Betreuung und zehn Millionen für Junkies, die überhaupt nicht versichert sind. Die AOK mache sich „zur Komplizin der Drogenmafia“, wenn das Methadon-Programm nicht weitergehe, verpaßte GALier Zamory der Kasse eine Beule ins schöne neue Image. Der Senat solle die Verhandlungspartner „an einen Tisch rufen, die Schlüssel aus dem Fenster werfen“ und sie nicht eher befreien, „bis sie sich geeinigt haben“.
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