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Wie der DGB die Kammer ausplündert

■ Rechnungshof-Bericht über den DGB-Filz in der Bremer Angestelltenkammer

Die Angestelltenkammer hat viele Feinde. Nun aber liegt ein dickes Papier eines einigermaßen unverdächtigen Instituts vor, das die schlimmsten Vorwürfe bestätigt. Der Rechnungshof hat seinen Prüfbericht abgeschlossen. Hauptvorwurf: Der DGB, der in dem obersten Organ der Angestelltenkammer, der „Vollversammlung“, die absolute Mehrheit stellt, hat die Kammer ausgenommen wie eine Weihnachtsgans. Der DGB macht was zum Frauentag – die Kammer schießt 500 Mark zu „obwohl kein Einfluß auf das Programm genommen werden konnte“. Eine Sozialpolitische Konferentz des DGB – die Kammer macht 7.000 Mark locker. Die Mai-Fete des DGB schließt mit Defizit ab – die Kammer springt nachträglich mit 1.500 Mark ein. Die Gewerkschaften haben Sonderkonditionen in den Tagungszentren der Kammer – „Unterdeckung“ allein in dem geprüften Jahre 1993 ca. 20.000 Mark. Referenten der Kammer verlangen beim Einsatz für Gewerkschaften kein Honorar. Einmal beschließt der Vorstand der Kammer sogar offiziell, die polische Beschlußfassung des DGB abzuwarten, bevor sich die Kammer engagiert (im Offenen Kanal). Meistens war das stillschweigend und ohne Vermerk der Fall. Ein anderes Mal wird der kammerfremden DGB-Vorsitzenden offiziell und im Protokoll vermerkt internes Material der Kammer überlassen.

Kommentar des Rechnungshofes: Die Kammern mit ihren Zwangsbeiträgen sind allen Arbeitnehmern verpflichtet, nicht den Gewerkschaften.

Auch mit den Formalien nahm es der Kammer-Vorstand nicht so ernst. Reihenweise war der Vorstand nach der Kammer-Satzung nicht beschlußfähig, beschloß aber dennoch größere finanzwirksame Engagements. Auf den Vorhalt des Rechnungshofes log sich die Kammer heraus: Die Rumpfsitzungen seien nur „Beratungs-Termine“ gewesen, die Beschlüsse dann hinterher von der Geschäftsführung gefaßt worden, die „in dringenden Fällen“ allein entscheiden könne. Der Rechnungshof zu der Ausrede: Die Protokolle der nicht beschlußfähigen Sitzungen weisen eindeutig „Beschlüsse“ aus.

Je mehr der Rechnungshof in einzelnen Fällen ins Detail gehen konnte, desto schlimmer die Ergebisse. Kammerwahlen 1993, zum Beispiel. 1,6 Millionen kosteten diese Wahlen, weist die Bilanz aus. Der größte Batzen davon für Personal: Angeblich haben 14 Mitarbeiter der Kammer das ganze Jahr nur für die Wahlen geackert. Und das nicht genug: Auch der frühere Gesamt-Personalrat Dieter Stratmann erhielt ein Jahr lang monatlich 1.500 Mark als „Wahlleiter“. (Nebenbei erhielt er auch als Wahlleiter der Arbeiterkammerwahl zusätzliche 1.500 Mark.)

Und weil das offenbar nicht ausreichte, die Wahlen durchzuführen, überwies die Angestelltenkammer auch noch an den Verein „Hal Över“, in dem Stratmann dankenswerte Arbeit leistet, und an die notleidende Kammer-Tochter BBI insgesamt 268.000 Mark. Der Rechnungshof formuliert höflich „Zweifel, ob das in die Wahlorgane berufene Personal tatsächlich ausschließlich mit der Vorbereitung der Wahl befaßt war und dementsprechend die Kammer sowie der Verein und die BBI-GmbH auf deren nach Anstellungsvertrag zu erbringende Leistung ein Jahr verzichten konnten.“ Auf deutsch: Da wurde einfach Kammer-Geld in andere Töpfe bzw. anderen Personen zugeschoben.

K.W.

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