Sanssouci
: Vorschlag

■ Bis zur restlosen Entstellung: Die Angefahrenen Schulkinder verarzten sich im BKA-Zelt

Damit das Publikum „Piß mich an!“ zur Melodie von „Let it be“ singt, muß es entweder kollektiv devot oder ziemlich bekifft sein. Wahrscheinlich eher letzteres, denn während die Angefahrenen Schulkinder ihre melodischen Lanzen für lebenslange Pubertät und Pädophilie brechen, macht im Publikum die 300- Gramm-Milka die Runde.

Das neue Programm der Osnabrücker Kabarettisten („I wanna make love to Steffi Graf“) speist sich aus Altbewährtem: Scherze über Ausländer, mißbrauchte Kinder und Behinderte – mithin alles Themen, über die man eigentlich nicht lachen darf. Muß man aber, weil die gängigen Vorurteile konsequent zu Ende gedacht werden. Wie in der Geschichte vom ungarischen Gastarbeiter Jimbo, der schon seit Jahren am Innereien-Entsafter einer Schlachterei steht und beim Grünkohlessen der Belegschaft im Baströckchen tanzt. Schließlich kommt der alltägliche Rassismus ja im allgemeinen auch selten subtil, sondern eher mit Rubbeldiekatz daher.

Aus einem ähnlichen Alltags-Panoptikum schöpfen auch Doofe wie Wigald Boning oder Stefan Raab, doch während die das Programm fürs Fernsehen domestizieren, lassen die Schulkinder ihre Figuren erst von der Bühne, wenn sie restlos entstellt sind. Wenn der treudoofe Sesamstraßen-Zottelbär Samson zum mißbrauchsgeschädigten Kuscheltier mutiert ist: „Lilooo, Tiffi – wo seid ihr denn, ihr Fotzen?“

Schön, daß sich zur Lust an spätpubertärer Zoterei noch ein veritabler Sprachschatz gesellt, der treffend die eigenen Erfahrungen in Worte faßt. Zum Läuterungsmonolog der Oberschwester waschen lustige Zivildienstleistende aus Bethel übelriechende Gemächte, und die verwachsenen Brüder Planitz singen ihr Famuiljen-Liadl in debilster Mundart: „I spritz mir Doppelkorn – i rauch an Crack – da bin i so manches Mal a Tag lang weg.“ Weit weg wünschen sich auch die Zuschauer, wenn Aerobic-Lehrer Mark Michigan im Publikum nach Orangenhaut fahndet, um nach einem entschuldigenden „Alles nur Show“ noch einmal kräftig nachzutreten: „Ihr seid doch jetzt die Ärsche des Abends.“ Oliver Gehrs

Weitere Vorstellungen bis Sonntag, 4. 2., jeweils 20 Uhr, im BKA-Zelt an der Philharmonie, Potsdamer Straße, Tiergarten, Vorbestellungen unter Telefon 2510112