Volksbewegung fusioniert in feinem Zwirn

■ Kampagne für Berlin-Brandenburg eröffnet. Eine Million Jastimmen nötig

Ein feiner Club startete gestern die Fusionskampagne der Landesregierungen Berlins und Brandenburgs zur „Ehe“ der beiden Bundesländer. Die Volksbewegung, die Eberhard Diepgen beschwor, bestand freilich vor allem aus Ministerialen und Beamten im feinen Zwirn. Zusammen mit ein paar Unternehmern, Gewerkschaftern und diversen Fusions-Initiativen sollten sie, so bat sie Diepgen im „Brandenburg-Saal“ des Schönberger Rathauses, „die Diskussion gemeinsam mit den Bürgern führen“. Am 5. Mai wird ein Referendum darüber entscheiden, ob es – nach Baden-Württemberg 1952 – eine zweite erfolgreiche Länderneugliederung in der Geschichte der Bundesrepublik geben wird. Dazu muß eine Mehrheit die Fusion befürworten, und es müssen mindestens eine Million Jastimmen zusammenkommen.

Die Werbestrategien der Länder sind so unterschiedlich wie die Unterschriften, die Ministerpräsident Manfred Stolpe und sein Berliner Pendant Eberhard Diepgen auf einen Müllwagen malten. Eine Berliner Recyclingfirma kutschiert seit gestern Abfall durch die Stadt – und wirbt gleichzeitig mit bunten Werbetafeln für die Länderehe. Manfred Stolpe trennt hingegen Information und Werbung. „Ich freue mich, meine Freizeit mit Ihnen zu verbringen“, rief Brandenburgs Regierungschef den VertreterInnen der Fusions-Initiativen zu. Diese Arbeitsteilung – Information durch seine Staatskanzlei, Werbung treibt König Stolpe bei privaten Einladungen – hat dem Ministerpräsidenten den Vorwurf eingetragen, er mache Wahlkampf. Recht hat er, denn der Arbeitsplatz „Regierungschef“ wird mit der Fusion wegfallen.

Die für die Fusion werbenden Bürgerinitiativen entpuppten sich als mehr oder weniger amtliche Veranstaltungen. Die „WissenschaftlerInnen-Initiative“ steht beim Staat in Gehalt und Brot. Die „Unabhängige Initiative für ein Land“ wird von den Unternehmensverbänden aus organisiert. Und selbst dem als streng bürgerlich angekündigten Verein „Pro Brandenburg“ steht mit Etta Schiller eine Oberfinanzpräsidentin (aus Cottbus) vor. Nur Showmaster Wolfgang Lippert wollte sich nicht vereinnahmen lassen. Er sei nicht „zur Durchsetzung irgendwelcher Regierungsmaßnahmen hier“. Eine Meinung habe er zwar noch nicht, es sei aber gut, „daß die Apparaturen kleiner werden“.

Die Fusionskampagne solle die Herzen der Menschen erreichen, erhoffte sich Eberhard Diepgen. Man solle „die ganz praktischen“ Sorgen der Bürger ansprechen. Etwa die, daß man den Kindergarten jenseits der Ländergrenze nicht besuchen dürfe. Oder eine „zusammenhängende Verkehrsplanung“. Dabei wollen die Initiativen mithelfen. Christian Füller