piwik no script img

Senat zittert um den Vulkan

■ Wieder Sondersitzung und keine Aussicht auf Kredit-Auszahlung von den Banken

Donnerstag, 15.30 Uhr. Die Tür des Dienstzimmers von Bürgermeister Scherf öffnet sich; hier war eine gute Stunde lang wieder Sondersitzung des Senats zum Thema Vulkan. Noch am Vorabend hatte die Runde von 18-19 Uhr getagt. Es brennt, die Banken wollen dem Vulkan die vom Bremer Sent verbürgten 77 Millionen Kredit nicht auszahlen. Der Vulkan aber braucht das Geld dringend, nicht erst zum Lohnzahlungstermin am 15. Februar.

Aus der Tür kommt als erster Wirtschaftssenator Hartmut Perschau. Herr Perschau, haben sie etwas beschlossen? Was war...?“ fragte der wartende Journalist höflich. „Ich nicht“, wendet sich Perschau ab, dreht sich ein paar Schritte weiter um, vollkommen verärgert über die Beratung vorher: „Das geht so nicht. Wir sind hier nicht in der Lotteriebude.“ Tritt ab. Aus dem Bürgermeisterzimmer tritt Finanzsenator Nölle heraus. „Herr Nölle, könnten Sie kurz erklären, was da gerade ...?“ „Ich nicht“, dreht Nölle ab. Wer der Presse was sagt, kann nur Fehler machen. Hinter den Senatoren kommt der Staatsrat des Finanzsressorts, Dannemann, sein Abteilungsleiter Keller, der Staatsrat des Wirtschaftsressorts, Haller. Eine Stunde lang hat die Spitzenrunde, die Bremens Wirtschaftspolitik regiert, beraten, mangels klarer Informationen aber nichts entscheiden können. Der Brüsseler EG-Kommissar für Wettbewerbskontrolle, der Däne Karel van Miert, hatte auf einer Pressekonferenz am Mittwoch seine Zweifel artikuliert, ob die neue Bremer Vulkan-Bürgschaft rechtmäßig zustande gekommen sei. Zudem geht es darum, ob wirklich EU-Subventionen, die für die ostdeutschen Werften bewilligt wurden, über Umwege in die Kasse des Bremer Mutterkonzerns geflossen sind, wie der Mecklenburgische Wirtschaftsminister behauptet.

Dies scheint der Hintergrund, vor dem die Banken dem Vulkan die 77 Millionen Kredit trotz der Bremer Bürgschaft nicht auszahlen wollen. Jeder Tag zählt im Poker um die Liquidität des Bremer Vulkan, aber direkt nach Brüssel fahren und den Fall klären können die Bremer Politiker nicht: „Wir haben mit denen direkt nichts zu tun“, erklärte Wirtschaftsstaatsrat Haller. Die stille Post zwischen Bremen und Brüssel geht immer über Bonn.

So freut man sich im Bremer Rathaus, daß das Bundeswirtschaftsministerium schon am 29.1.1996 auf den bohrenden Brief des EU-Kommissars vom 25.1. geantwortet hat. Alles rechtmäßig, sagt auch die Bundesregierung, was Bremen gemacht hat. Van Miert hatte sich beschweert, nur über die Zeitungsausschnitte aus Bremen von der neuen Bürgschaft erfahren zu haben. In Wahrheit sei diese Bürgschaft schon im März 1995 beschlossen worden, nach den für 1995 geltenden Richtlinien, erklärt der Wirtschaftssenator. Am 22.1.1996 sei der Beschluß nur bestätigt worden.

Das stimmt – allerdings hatte der Haushaltsgesetzgeber im März 1995 der 220-Mio-Bürgschaft nicht eine Verpflichtungsermächtigung in derselben Höhe beigefügt, wie dies nun geschah. Die Lage des Konzerns hat sich eben verändert.

Der Betriebsratsvorsitzende Schönberger verärgert: „Wir haben große Sorgen, daß durch leichtsinniges und dickfälliges Verhalten der bremischen Verwaltung wieder eine Krise herbeigeredet wird.“ Derweil hat gestern der neue Vorstandsvorsitzende des Vulkan, Udo Wagner, seinen Platz eingenommen. Die Vulkan-Aktie stagnierte bei 29,70 Mark. K.W.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen