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Umgebucht + gutgeschrieben

■ Hamburger Modellprojekt bietet Frauen, die in den Beruf zurückkehren wollen, eine Fortbildung mit Arbeitsplatzgarantie Von Iris Schneider

Berufstätige Mutter eines Kleinkinds zu sein ist wahrhaftig kein Traumjob. Wenn die Arbeit im Betrieb zu Ende ist, müßte das Kind eigentlich schon seit einer halben Stunde abgeholt sein, und für die notwendigen Einkäufe bleibt meist auch keine Zeit mehr.

Kein Wunder, daß es immer noch viele Mütter vorziehen, zumindest während der Kleinkindphase ihre Berufstätigkeit zu unterbrechen. Bei Frauen, die mehr als ein Kind haben, werden dann schnell ein halbes Dutzend Jahre und mehr daraus. Anschließend in den Beruf zurückzukehren ist ein schwieriger Schritt.

Da ist zum einen die Unsicherheit der Frauen, ob ihre Kenntnisse nicht längst veraltet sind. Zum anderen bohren Arbeitgeber gerade an diesem wunden Punkt. Viele Frauen sehen dann als einzigen Ausweg eine Hilfstätigkeit im Büro. Eine unbefriedigende Lösung, auch weil in diesem Bereich nur selten Teilzeitarbeitsplätze zur Verfügung stehen. Als Mädchen für alles muß frau immer im Einsatz sein.

So ging es auch Anna Oetting: Als ihre Jüngste sechs Jahre alt war, wollte sie in den Beruf zurück. Ihre Chancen auf eine neue Stelle hielt sie allerdings für schlecht. Sie ließ sich daher vom Arbeitsamt beraten und hatte Glück: Sie wurde in ein Modellprojekt aufgenommen, bei dem Frauen in zwölf Monaten zur „Fachkraft für Buchhaltung“ ausgebildet wurden. Am vergangenen Donnerstag stellte Hamburgs Frauensenatorin Christina Weiß gemeinsam mit dem Arbeitsamt Altona, den Rackow-Schulen und der Chefin eines Praktikumsbetriebes die Ergebnisse des ersten Durchgangs vor.

Das Besondere an dieser Fortbildung, die von den Rackow-Schulen durchgeführt und vom Arbeitsamt mit 250.000 Mark gefördert wurde, ist, daß die Vermittlung eines Arbeitsplatzes von Anfang an Ziel der Maßnahme war. Nach zwei Monaten theoretischer Ausbildung folgte eine neunmonatige Praktikumsphase im Betrieb. Dabei handelte es sich nur um Firmen, die neue Mitarbeiterinnen suchten. Dementsprechend erfolgreich war der Lehrgang. 15 Teilnehmerinnen haben den Lehrgang mit einem Zertifikat abgeschlossen, elf haben in ihrem Praktikumsbetrieb einen Arbeitsplatz gefunden.

Dazu gehört auch Anna Oetting. „Beim Vorstellungsgespräch war ich so nervös, daß ich alle meine Fragen vergessen hatte“, erinnert sie sich heute. Aber mit zunehmendem Wissen wuchs auch ihr Selbstbewußtsein. Ihre Chefin Gudrun Hoffmann erinnert sich: „Eines Tages kam Frau Oetting ganz aufgekratzt ins Büro. Sie hatte mit ihrem Sohn über Computerprogramme diskutiert und gemerkt, daß sie mit ihm mithalten konnte. Das hat ihr einen richtigen Kick gegeben.“

Die Umstellung vom Familienleben auf den Betriebsalltag hat die meisten Frauen einiges an Kraft gekostet. Der gesamte Tagesablauf mußte umorganisiert werden. Und auch das Lernen mußten die Frauen erst wieder lernen. Damit sie in dieser Phase nicht den Mut verloren, finanzierte das Senatsamt für die Gleichstellung eine hauptamtliche Betreuerin. Die akquirierte auch die einstellungswilligen Firmen und half den Frauen bei der Suche nach einem Praktikumsplatz. Das Bewerbungstraining, das die Frauen vorher erhielten, sehen einige Teilnehmerinnen allerdings in der Rückschau eher kritisch. „Das hat mich nur verunsichert,“ sagt eine von ihnen.

Aber nicht nur die Frauen haben in den zwölf Monaten viel gelernt, auch ihre Familien haben sich umgestellt. „Anfangs fiel es meinen Kindern schwer, zu akzeptieren, daß ich nach der Arbeit noch ein bißchen Zeit für mich brauche. Die dachten, jetzt ist sie wieder da, jetzt ist alles wie immer“, beschreibt Annette Marzahn die Umstellung.

Rückblickend sind die Frauen sehr zufrieden mit dem Verlauf des Kurses. Und auch Gudrun Hoffmann als betriebliche Ausbilderin ist von dem Konzept überzeugt. „Im Bereich Buchhaltung gibt es eine riesige Nachfrage und kaum Personal, das gezielt ausgebildet wurde.“ Einziger Wermutstropfen: Die Ausbildung ist bisher nicht staatlich anerkannt. Weil aber die Vermittlungsquote so hoch war, wird am 1. Juni ein neuer Kurs starten. Interessierte Frauen können sich ab sofort bewerben.

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