: „Die wollten was finden“
■ Interview mit dem Kameruner Ernest Tamagni, dem im Dezember am Hamburger Flughafen zu Unrecht die Einreise verweigert wurde
Ernest Tamagni will in Kassel Elektrotechnik studieren. Mit einem gültigen Visum, einer Anmeldung zum Deutschkurs und einer Voreinschreibung für die Uni versuchte er „zwischen den Jahren“ aus Kamerun via Hamburg nach Deutschland einzureisen. Aufgrund schlampiger Ermittlungen wurde sein Visum fälschlich für „erschlichen“ erklärt und der Student in spe nach Kamerun zurückgeschickt (taz berichtete).
taz: Sie sind am vergangenen Wochenende zum zweiten Mal nach Deutschland eingereist. Mit welchen Gedanken und Gefühlen?
Ernest Tamagni: Ich hatte Angst, wieder dieselben Polizisten zu treffen, die mir die gleichen Probleme bereiten. Es gab allerdings keine längeren Kontrollen.
Also vollkommen anders als beim ersten Mal?
Auch beim ersten Mal haben sie festgestellt, daß das Visum in Ordnung war. Ich hatte den Eindruck, daß sie unbedingt einen Fehler finden wollten und deshalb die Einschreibungen in Kassel kontrolliert haben. Sie fragten mich, ob ich jemanden in Hamburg kenne. Und sie haben mich auch gefragt, ob das ein Deutscher ist. Ich habe ihnen erzählt, daß mich jemand erwartet – ein Kameruner. Bis dahin wurde mir überhaupt nicht gesagt, worum es geht. Ich wollte Freunde anrufen, doch ich durfte nicht telefonieren.
Wann haben Sie erfahren, daß Sie nach Kamerun zurück sollen?
Das war am nächsten Tag. In der Nacht mußte ich auf zwei Stühlen schlafen. Ich hätte mich lieber auf den Boden gelegt, aber der war zu schmutzig. Meine Sachen wurden von den Polizisten untersucht und weggeräumt. Mein Portemonnaie mit meinem Impfpaß habe ich am nächsten Tag nicht mehr gefunden – und auch später nicht zurückbekommen. Während der zwei Tage habe ich nichts zu essen bekommen. Zwei Polizisten haben mich am dritten Tag bis nach Paris begleitet. Sie haben mich immer wieder als ihren Sklaven bezeichnet und darüber gelacht.
Welche Auswirkungen hat die „Rückführung“ für Sie?
Ich habe einen Monat von dem Deutschkurs versäumt und weiß nicht, ob ich das wieder aufholen kann. Auch psychisch habe ich die Situation nicht gut verkraftet. Ich wußte nicht, ob ich überhaupt noch in Deutschland studieren kann, wie es weitergeht. Und ich hatte ziemlich viel Geld investiert.
Das war Ihr erster Kontakt mit Deutschland. Kam Ihnen anschließend der Gedanke: In so ein Land will ich nie wieder?
Die ganze Situation hat mich stark verletzt. Wenn meine erneute Einreise nicht so schnell geklappt hätte, wäre ich nicht wieder hierher gekommen. Dann hätte ich versuchen müssen, irgendwo anders eine Ausbildung zu bekommen.
Sie haben Freunde in Kassel. Wenn nicht: Hätten Sie Angst, allein in dieser Stadt dazustehen?
Nein, ich hätte keine Angst, weil ich nicht damit rechne, daß dort überall Visakontrollen stattfinden. Ich weiß aber, daß hier viele Schwarze schlecht behandelt werden. Und ich wünsche mir, daß das aufhört. Fragen: Stefanie Winter
Dolmetscher:
Alexander Ngnoubamdjum
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