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Nichts geht mehr

■ Croupiers in der Bremer Spielbank streiken für weniger Arbeitszeit wegen weniger Lohn

Rien ne va plus hieß es am Donnerstag in der Bremer Spielbank. Auf gewerkschaftsdeutsch: Warnstreik. Die Lautsprecher trugen das die Spieltische werden geschlossen bis in die Kassenhalle des Casinos in der Böttcherstraße. Aber echte SpielerInnen lassen sich den Abend so schnell nicht vermiesen. Von unten strömten die Beschlipsten weiter die roten Teppichstufen hoch, während droben die Croupiers schon die Tische räumten – und gegen Angriffe Facon bewahrten. „Manche Gäste sind wie Kinder, wenn es ums Spielen geht“, berichtet ein Croupier später. „Die schimpfen, weil sie denken, sie hätten ausgerechnet heute dick gewinnen können.“

Daß sie dick gewinnen können, glauben die Croupiers auch nach dem ersten Warnstreik vom Donnerstag zwar nicht – aber ein paar Mark mehr wollen sie doch im Geldbeutel haben. Deswegen stoppten sie die die Kugel. Rot-schwarz-aus. Deswegen stellten sie sich in die Kälte der Böttcherstraße. Deswegen „stürmten“ sie später die Automatenspielstätte in der Breitenstraße. „Seit Weigels Steuermißbrauchs-Bereinigungsgesetz haben wir Netto-Verdiensteinbußen von bis zu 15 Prozent“, sagt Betriebsrat Joachim Jopp, nachdem er zu den übrigen rund 30 Croupiers stößt, die sich in der Kälte vor dem goldenen Spielbank-Eingang postiert haben. „Geschlossen. Wir streiken“, rufen sie potentiellen BesucherInnen zu. Manche drehen ab. Die wenigsten interessieren sich für die Anliegen der Spielbank-MitarbeiterInnen und ihre Forderungen.

Die klingen ein wenig nach „Bündnis für Arbeit“: Der Arbeitgeber, die Westdeutsche Spielbanken GmbH in Münster, soll einer Reduzierung der Wochenarbeitszeit zustimmen. Schon lange ist der Manteltarifvertrag gekündigt. Nun soll er bei 32 Stunden festgeklopft werden. „Nachgebessert“, sagt auf der Arbeitgeberseite Manfred Mahlmann dazu. Daß HBV-Unterhändler Ewald Schulte „noch mit sich verhandeln lassen würde“, ist ihm in diesem Punkt egal. „Die Gewerkschaft ist vom Verhandlungstisch aufgestanden“, sagt er. Der am Donnerstag eigens aus Düsseldorf angereiste HBV-Vorständler Ewald Schulte sieht es genau andersherum. Außerdem: „Diese Männer hier haben weniger Geld in der Tasche als im letzten Jahr. Dabei macht die Spielbank gute Umsätze.“ In diesem Jahr hat Schulte schon in verschiedenen Städten Streiks organisiert. „In Magdeburg, dem Armenhaus der Nation, haben wir sogar die 34-Stunden-Woche abgeschlossen.“

Der Warnstreik beginnt so richtig gegen 20 Uhr. Bis dahin haben die Männer die Kassen in Sicherheit gebracht und den dienstlichen Anzug in warme Winterklamotten vertauscht. Nach einem letzten Pappbecherchen voll Glühwein bricht der Trupp zum „Sturm“ der Automatenhalle auf – der zweiten Spielstätte der Westdeutschen Spielbank GmbH. „Ob die Kollegen dort mitmachen, wissen wir nicht“, heißt es. Anders als die zu 80 Prozent gewerkschaftlich organisierten Croupiers, die überwiegend aus dem Trinkgeld-Topf Tronc bezahlt werden, erhalten die Angestellten des „Kleinen Spiels“ im Breitenweg ein Festgehalt. „Das sind eher Techniker“, sagt einer. „Mal sehen ob die mitmachen.“

„Wer geht zuerst?“ Unsicherheit entsteht am Breitenweg. Drehtüren erweisen sich für den gewerkschaftlichen Ansturm als ungeeignet. Doch endlich steht auch der Düsseldorfer HBV-Verhandlungsführer mit seinem Megaphon im Innern – und ruft in der großen Halle den Streik aus. Sein Blick sucht irritiert die blinkenden Spielautomaten ab: „Ja wo sind denn hier die Kollegen?“

Nur vier Personen arbeiten pro Schicht in diesem Etablissement – das zudem mehr Geld einbringt als das Casino. Aber schon nicken auch die blaubefrackten Mitarbeiter hinter dem schweren Kassenglas Einverständnis: „Es geht doch um unser Geld. Wer da nicht mitmacht, hat selber schuld.“ Eine viertel Stunde später sind die Automaten tot. Nichts geht mehr. Nur Damen wechseln am Ausgang noch schnell ihre Markstücke aus der Plastiktüte in Scheine zurück – mit der Gelassenheit von Menschen, die auch verlieren können. „Ich wünsche Ihnen, daß sie mehr Geld bekommen“, sagt eine über die Schulter und geht.

Die Gewerkschafter gehen auch – in die Kneipe gegenüber und ein paar Stunden später zurück an die Arbeit. „Das wäre der erste Streik, bei dem wir nichts erreichen“, lacht ein älterer Mitarbeiter. ede.

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