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Wie die Dinge lernten, ihr eigenes Bild zu zeichnen

■ Moholy-Nagys Fotogramme im Folkwangmuseum Essen

Während der Aufbau fotografischer Sammlungen in der Bundesrepublik noch immer in den Kinderschuhen steckt, sind die „Photographic Collections“ in den USA längst eigenständige und gleichberechtigte Abteilungen der Museen – mit entsprechenden Ankaufsetats. 398.500 Dollar, umgerechnet 644.000 Mark, zahlte das J.-Paul- Getty-Museum im kalifornischen Malibu vor drei Jahren für einen Vintage-Palladium-Abzug der nähenden Hände der Malerin Georgia O'Keeffe, das ihr damaliger Geliebter 1920 aufgenommen hatte. Der Fotograf war Edward Steichen. Die Amerikaner bezahlten das kleinformatige Blatt aus der Portokasse: Der vom Museumsgründer und Ölmilliardär J. Paul Getty testamentarisch festgelegte jährliche Gesamtankaufsetat liegt irgendwo jenseits der schwindelerregenden Summe von 50 Millionen Dollar.

Das Getty-Museum galt deshalb auch als sicherer Käufer, als vor zwei Jahren ein umfangreiches Konvolut fotografischer Arbeiten von László Moholy-Nagy (1895–1946) auf den Markt kam. Der in Ungarn geborene Bauhaus- Lehrer hatte die Arbeiten nach seiner Emigration einem Freund in Chicago zur Aufbewahrung gegeben und nie zurückgefordert. Besonders begehrt war die zusammenhängende Werkgruppe durch 186 darin enthaltene Fotogramme. Moholy-Nagy hatte die Technik, fotografische Bilder ohne Kamera zu erzeugen, 1921 gemeinsam mit Man Ray entwickelt und perfektioniert. Beide wollten durch die Vereinigung von Glas, Aluminium und Nickel in der zweiten Dimension dynamische, raumdurchdringende Gebilde schaffen. Das Motiv wird dabei durch direkte Lichteinwirkung auf fotografisch sensibilisiertes Papier belichtet.

Daß das Moholy-Nagy-Konvolut nun doch in Europa bleibt, ist das Ergebnis einer bislang einmaligen Kooperation über Ländergrenzen hinweg. Weil die Etats beider Häuser für den Ankauf nicht gereicht hätten, bildeten das Centre Georges Pompidou in Paris und die Fotografische Sammlung des Museums Folkwang in Essen eine bislang einzigartige Interessengemeinschaft – und erhielten den Zuschlag.

Im vergangenen Jahr war das gesamte Konvolut in Paris zu sehen, nun werden die lichtempfindlichen Blätter bis zum 31. März in Essen ausgestellt. Ute Eskildsen, Leiterin der Fotografischen Sammlung, beschreibt das europäische Pilotprojekt: „Wir haben uns nach dem gemeinsamen Ankauf und nach intensiven Diskussionen auf eine Teilung geeinigt: 113 Arbeiten, darunter 89 Fotogramme, bleiben in Essen. Das war bei diesem Konvolut deshalb möglich, weil die Qualität der Arbeiten so durchgehend hoch ist, daß wir auf keine Schwierigkeiten gestoßen sind. Wir konnten aus einer Sammlung zwei repräsentative Sammlungen machen, die sowohl den Bestand in Paris als auch den in Essen hervorragend ergänzen.“ Das auf Fotografie der zwanziger und fünfziger Jahre spezialisierte Museum Folkwang allein hätte sich den Ankauf nie leisten können – der Ankaufsetat für die fotografische Sammlung wurde erst gerade wieder drastisch gekürzt. Selbst die Beteiligung an der deutsch-französischen Kooperation war nur möglich, weil die Krupp-von-Bohlen- und Halbach-Stiftung, die Kulturstiftung der Länder, die NRW-Stiftung für Kunst und Kultur und die Waldthausen-Platzhoff-Museumsstiftung das Vorhaben finanziell unterstützten.

Durch den konzertierten europäischen Ankauf lassen sich die Entwicklung der Fotogrammidee, die verschiedenen Arbeitsschritte und Entwicklungsstufen, an denen Moholy- Nagy bis kurz vor seinem Tod arbeitete, nun auch anhand bislang noch unbekannter Bilder nachvollziehen. „Gerade in Zeiten leerer öffentlicher Kassen hat diese Initiative eine exemplarische Bedeutung für die kulturelle Zusammenarbeit in Europa“, sagt Ute Eskildsen. „Ob sie sich wiederholen läßt, hängt aber neben den Finanzen natürlich auch vom Objekt der Begierde ab: Ein Gemälde läßt sich nicht teilen, und mit jedem Konvolut ist das auch nicht möglich.“ Stefan Koldehoff

László Moholy-Nagy: Fotogramme 1922–1943. Museum Folkwang, Essen, 4. 2. bis 31. 3. 1996. Katalog: 228 Seiten mit 95 Duotone-Tafeln und 171 Abb., Verlag Schirmer/Mosel, München. Paperback 38 DM, geb. 98 DM

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