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Keine Macht dem Methadon

■ Hamburgs Substitutions-Programm soll nicht zur Regel werden. Es soll auslaufen, meint auch Minister Seehofer

Hamburg (taz) – „Die AOK baut die Hürden so hoch, daß mögliche Kompromisse gar nicht erst zugelassen werden.“ Die Gesundheitssenatorin Helgrit Fischer- Menzel (SPD) ärgert sich über die gescheiterten Verhandlungen zur Fortsetzung des erfolgreichen Hamburger Methadon-Programms. Doch nicht nur die Behörden-Chefin weiß, daß hinter der Starrsinnigkeit der beiden großen Krankenversicherer AOK und Innungskrankenkassen ein anderer Grund steckt.

Über die Bundes-AOK versucht Bundesgesundheitsminister Horst Seehofer (CSU) Druck auszuüben. Denn: Wenn die Methadon-Vergabe in Hamburg zur Regelbehandlung der Krankenkassen wird, dann könnte auch Junkies in Bonn oder München das Ersatzmedikament nicht verweigert werden. Methadon für alle, die es brauchen. Das war bisher die Devise des über sechs Jahre wissenschaftlich begleiteten Hamburger Modellprojekts.

Bisher wurde die Behandlung für Substitutionswillige aus einem Sonderfond finanziert. Nun wollen AOK und Innungskrankenkassen, daß die kassenärztliche Vereinigung die Behandlung aus ihrem normalen Budget bezahlt, ohne daß dieses erhöht wird. Dann würde nur nach den NUB-Richtlinien (Neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden) Methadon vergeben. Und danach „muß ein Patient erst halb tot sein, bevor er in die ärztliche Behandlung kommt“, knirscht Hamburgs Drogenbeauftragter Horst Bossong. Nur „Altfälle“ sollen weiterfinanziert werden. Und daß verelendete Junkies ihren Rechtsanspruch schon nicht einklagen werden, ist das Kalkühl der AOK.

Die „Gesundheitskasse“ bestreitet den Erfolg des Hamburger Methadon-Programms keineswegs. Nicht nur die Beschaffungskriminalität, auch die Sterblichkeit, die Infektionen und andere mit der Verelendung einhergehende Krankheiten verschwinden fast vollständig. Das Geld allein sei der Haken. Einsparvorschläge, wie etwa die unsinnig hohe Zahl der Urin-Proben, die zwei Drittel des 14-Millionen-Mark-Betrages verschlingen, herunterzuschrauben, ignorieren die Kassen.

Die Behandlung von Hepatitis oder einer HIV-Infektion „kostet sehr viel mehr Geld“, schimpfen nun sogar die traditionellen Abstinenz-Fanatiker der Hamburger CDU. Alle Fraktionen der Hamburger Bürgerschaft gaben in der vergangenen Woche eine gemeinsame Erklärung ab, in der sie die Rückkehr der AOK und der Innungskrankenkassen an den Verhandlungstisch fordern. Silke Mertins

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