: Relikt aus den sechziger Jahren
■ Deutsch für Ausländer-Kurse meist völlig überlaufen / Wir-Zentrum fordert mehr Angebote für Emigranten und Flüchtlinge
Deutsch lernen ist ja ohnehin schwer – wenn mensch überhaupt einen Sprachkurs besuchen kann. So standen schon in der Nacht zum Montag die ersten Lernwilligen vor dem Wir-Zentrums im Haus Drei in Altona Schlange für einen der begehrten Plätze in den Deutschkursen des Interkulturellen Bildungsvereins (IBV). Um 9 Uhr warteten bereits über 250 Menschen, um einen der knapp 80 Plätze zu bekommen. „Das ist hier wie in der Ausländerbehörde“, schimpft einer. Eher noch schlimmer“ sagt Michael Dietz vom IBV. „Hier warten sie stundenlang und wissen bis zum Schluß nicht, ob sie einen Platz bekommen.“
Die Intensiv-Sprachkurse des IBV finanziert der Deutsche Sprachverband in Mainz, der in den 60er Jahren entstand, um den im Ausland angeworbenen ArbeitnehmerInnen Deutschkenntnisse zu vermitteln. Emigranten aus den ehemaligen „Anwerberländern“ wie z. B. Spanien, Italien und der Türkei sind bevorzugt berechtigt, die Kurse zu besuchen. Von den 20 Plätzen pro IBV-Kurs sind 15 für SchülerInnen aus diesen Ländern reserviert, für andere bleiben fünf Plätze. „Diese Vorgaben gehen an der aktuellen Situation völlig vorbei“, so Dietz. „Wir haben heute vor allem Interessenten aus Afrika und aus Osteuropa. Es ist extrem schwer, ihnen zu vermitteln, daß sie keinen Kurs belegen könnnen, nur weil sie aus dem falschen Land kommen.“ Statt die Regelung aktuellen Bedürfnissen anzupassen, verschärft der Sprachverband jedoch die Kriterien. „Die Bundesregierung sieht keinen Nutzen mehr in der Unterstützung von Einwanderern und Flüchtlingen“, erklärt der IBV in einer Informationsschrift. Andere vom Sprachverband finanzierte Kurs-Anbieter wie der Deutsch-Ausländische Begegnungs- verein oder das „Haus für Alle“ stehen vor ähnlichen Problemen.
Kommerzielle Sprachkurse können sich die wenigsten leisten. Die VHS bietet keine Intensiv-Kurse an, zudem sind auch sie schnell ausgebucht. Die Beschränkungen für die Kursteilnehmer aufzuheben, fordert deshalb das Wir-Zentrum und appelliert an den Senat und den Sprachverband, sich um weitere Deutschkurse bei der VHS und anderen allgemein zugänglichen Einrichtungen und für gebührenfreie Kurse innerhalb der Arbeitszeit an allen Arbeitsplätzen einzusetzen. jes
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