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■ Ministerpräsidenten treffen Kohl: Einig gegen ein Bundesmediengesetz
Früher war alles so schön einfach: hie die Presse, da der Rundfunk. Die Presse frei (zumindest für die Verleger), der Rundfunk streng reglementiert. Und die Begründung des Bundesverfassungsgerichts dafür war auch ganz einleuchtend: Blätter lassen sich beliebig viele drucken, auch mit wenig Geld läßt sich da die Meinungsbildung beeinflussen (auch wenn die taz hinter Bild noch ein wenig herhinkt). Radio- und vor allem Fernsehsender dagegen brauchen eine der knappen Frequenzen – und enorm viel Geld, wenn sie über den Einfluß eines offenen Kanals hinauskommen wollen.
Doch dann kündigten sich Multimedia, Teleshopping und das digitale Fernsehen-auf-Abruf an, und damit begann der Streit. Wenn Reisen und Schmuck per Werbefilmchen auf dem Bildschirm vertickert werden – ist das Rundfunk oder nur ein elektronischer Quellekatalog? Wenn Filme zu jeder gewünschten Zeit per Kabel ins Haus kommen – ist das nicht einfach die elektronische Videothek? Oder bekommen Kirch und Bertelsmann damit neue Bausteine für markt- und kulturbeherrschende Unterhaltungskonzerne in die Hand?
Rundfunk ist, wegen seiner kulturellen Bedeutung, Kompetenz der Länder, während die Telekommunikation dem Bund überlassen ist. Was also tun mit Multimedia? Eine gemeinsame Arbeitsgruppe von Bund und Ländern ging im Streit auseinander, also definierten die Länder auf eigene Faust: E-Mail, Telearbeit, -medizin und -banking haben danach mit Rundfunk nichts mehr zu tun (da darf die „Gewerbefreiheit“ herrschen); dagegen sollen Fernsehen-auf-Abruf, Datendienste, Telespiele und Teleshopping zumindest in eingeschränktem Maße Rundfunk sein – und damit von den Ländern reguliert werden. Sofern nicht ohnehin bald die EU bald das alles vorgibt.
Doch das paßte dem von Haus aus mit wenig Kompetenzen ausgestattenen Bonner „Zukunftsminister“ Jürgen Rüttgers nicht in den Kram. Im Dezember kündigte er seinerseits ein Multimediarahmengesetz des Bundes an. Am Sonntag bgründete er das noch einmal in einem Interview mit dem WDR-Medienmagazin: Man brauche schließlich Regelungen für Urheberrecht, Strafrecht, Daten- und Verbraucherschutz sowie Wettbewerbsrecht, und es sei „nicht möglich, so etwas über einen Rundfunkstaatsvertrag, und das wäre ja das Mittel der Länder, zu regeln“.
Die Länder sind da ganz anderer Meinung – schließlich habe man sich ja auch über Btx in einem Staatsvertrag geeinigt, der jetzt aktualisiert werden soll. Sie beauftragten ihren Koordinator für Rundfunkpolitik, den Mainzer Ministerpräsidenten Kurt Beck, einen Brief an Kanzler Kohl zu schicken. Und der fiel mehr als deutlich aus. Er fordert nicht nur die „enge Zusammenarbeit unter Wahrung bestehender Kompetenzen“ der Länder, sondern droht mit dem großen Knüppel von „verfassungsrechtlichen Klagen“. Zu noch harscheren Tönen griff Bayerns Edmund Stoiber – generell ein Freund jeder Deregulierung –, der sich aber als Länderchef auch nicht die Butter vom Brot nehmen lassen will: In einem eigenen Brief an Kohl nannte er Rüttgers' Ankündigung „ein äußerst ungünstiges Vorzeichen für unser gemeinsames Gespräch“.
Dieses Treffen mit Kohl soll übermorgen in Bonn stattfinden, wenn die Ministerpräsidenten ohnehin über den künftigen Rundfunkstaatsvertrag beraten, und wohlweislich hat der Kanzler darauf verzichtet, vorher auf die beiden Briefe zu antworten. Statt dessen ließ eine ungenannte Quelle aus dem Bundeskanzleramt via epd-Mediendienst mitteilen, der Bund wolle wegen Multimedia mit den Ländern keinen „Krieg“ anfangen. Nicht unklug, schließlich würde ein solches Gesetz, gegen den Widerstand der Länder eingebracht, spätestens im Bundesrat scheitern. Dennoch hat der Minister ohne Geschäftsbereich seine Hoffnung auf neue Aufgaben noch nicht aufgegeben. Ende Mai oder Anfang Juni will Jürgen Rüttgers seinen Gesetzentwurf vorlegen. Michael Rediske
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