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Frostiges Begräbnis mit dem Preßlufthammer

■ Wozu jammern über den kalten Winter? Manche profitieren davon. Auch der vielgefragte Stamm der Meteorologen, der die Kälte für nix Besonderes hält

Wozu stetig jammern und klagen über den kalten Winter? Das verbraucht nur unnötige Energie. Wir sollten uns ein Beispiel nehmen an den Heizungstechnikern und Brennstoffhändlern, die derzeit überall gute Laune verbreiten. Nie waren sie so gefragt wie heute, ihr Image schlägt das eines Medizinalprofessors oder einer Ratespielmoderatorin um Längen. Erfolgreiche Reparateure kaputter Heizanlagen werden serienweise zum Abendessen geladen, dem Monteur Heinz B. wurde vor zwei Tagen gar auf offener Straße ein Heiratsantrag gemacht.

Prima Klima herrscht auch bei einigen Friedhofsverwaltungen. Weil der Boden im Raum Brandenburg bis zu einer Tiefe von 1,50 Metern tiefgefroren ist, müssen die Gräber in Potsdam und in Frankfurt an der Oder per Preßlufthammer ausgehoben werden. Dafür dürfen sie Extrazuschläge kassieren. In Potsdam hat sich das Begräbnis um ein Viertel verteuert, in Frankfurt werden 20 Mark pro 10 Zentimeter gefrorenem Boden verlangt. In Berlin wiederum könnten sich die Verblichenen freuen, wenn sie es noch könnten: keine Verzögerungen, keine Preissteigerungen. Uwe Lucas, Leiter der Berliner Friedhofsverwaltung, verrät das Geheimnis: Die Erde werde mit Elektrohämmern vorbereitet. Trotzdem müßten zwei Totengräber statt bisher drei Stunden nun einen ganzen Tag für einen Aushub ackern.

Auch der Tierwelt erschließt dieser Winter ganz neue Erlebniswelten. Auf der Suche nach Nahrung streifen Rotfüchse durch halb Berlin. Einen besonders Vorwitzigen versuchte die Polizei auf dem Kudamm festzunehmen, was aber nicht gelang. Im Zoologischen Garten haben Hunderte von Enten aus dem gesamten Stadtgebiet um Asyl nachgesucht, weil dort leichter an Fressalien heranzukommen ist. Elefanten dürfen genauso wie andere Steppentiere täglich draußen Gassi gehen und Speiseschnee lutschen. Länger als eine Stunde dürften sie aber nicht in der Kälte stehen, verrät Martin Kaiser, wissenschaftlicher Mitarbeiter des Zoos, weil sonst „Ohren und andere Körperanhänge abfrieren.“ Flügel- und Fußerfrierungen drohen auch den empfindlichen Humboldt- und Brillenpinguinen, im Tierpark Friedrichsfelde wurden ihnen deshalb schon warme Fußbäder verordnet. Förster, Gärtner und Bauern, die auf einen Massentod sogenannter Schädlinge hoffen, haben sich indes zu früh gefreut. „Einheimische Insektenarten können eine solche Kälte ab“, erklärt Insektenforscher Reinhard Gaedike vom Entomologischen Institut Eberswalde. Viel schlimmer seien klimatische Wechselbäder, weil sie die Insekten zu früh aus dem Winterschlaf rissen. Auch die Menschen vom Stamme der Meteorologen profitieren, weil vielgefragt und vielbefragt, vom jetzt beinahe schon drei Monate andauernden Winterwetter. Was die Zahl jener Tage betrifft, an denen ganztägig unter null Grad gemessen wurde, könne dieser Winter den bisherigen Rekord aus dem Nachkriegsjahr 1946/47 noch übertreffen, berichtet das Wetteramt Potsdam. Damals wurden 65 Eistage gezählt, jetzt sind es schon um die 50, und der Winter bleibt uns weiter erhalten. Prognose aus Potsdam: Donnerstag und Freitag tagsüber minus fünf, am Wochenende nicht über null Grad. Wo gibt es noch ledige Heizungsmonteure? Ute Scheub

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