Angst vor Spuren

■ Das Schauspielhaus macht Schultheater

Dussel und Schussel haben Angst – vor Fußspuren und vor ihren Schatten. Ewig fühlen sie sich verfolgt und beobachtet, versuchen dem Schicksal ein Schnippchen zu schlagen, geraten dabei auch noch aneinander. Gleichzeitig auf der Jagd und auf der Flucht sind die beiden am Mittwoch in einer dritten Klasse der Bahrenfelder Max-Brauer-Schule gelandet.

Eingeborene (Schüler) und ihren Ältestenrat (Lehrer, Theater-Mitarbeiter, Journalisten) fanden die Mitglieder des Schauspielhaus-Ensembles Anne Weber und Thomas Mehlhorn dort vor. Für sie legten die beiden richtig großes Theater aufs Parkett des kleinen Klassenzimmers. Mit Geheimnissen, Träumen, Dummheiten, Witz und Zank gelang es ihnen, das kritische Publikum eine Stunde lang voll in ihren Bann zu ziehen. Am Ende der Aufführung fanden Dussel und Schussel dann sogar einen geheimnisvollen Schlüssel zum Glück.

Zum zweiten Mal veranstaltet das Schauspielhaus jetzt eine Reihe von Schulaufführungen, gestern war die Premiere mit dem Stück Dussel und Schussel des Niederländers Ad de Bont. Sehr ernst nehmen die Theaterleute dieses Projekt und präsentieren eine ausgefeilte Inszenierung. Einfallsreich und liebevoll führt Corinna Bethge Regie, Annabelle Witt hat dazu Kostüme voller phantastischer Details entworfen, die schon allein das Publikum begeistern.

Das Stück, das speziell für die Aufführung in Schulklassen geschrieben wurde, hat Michael Müller, zuständig für den Bereich Theaterpädagogik am Schauspielhaus, gemeinsam mit den Darstellern ausgesucht. Einstudierung und Aufführungen finden für Anne Weber und Thomas Mehlhorn neben der regulären Arbeit statt – ohne zusätzliches Honorar. Die Möglichkeit, mit dem Theater in Klassenzimmer zu gehen, Kinder in ihrer gewohnten Umgebung zu bezaubern und ganz unvermittelt spontane Reaktionen zu erleben, ist für sie die Mühe ohne jeden Zweifel wert. Für die Schulen entstehen so überhaupt keine Kosten.

Besonders interessant war für die Schauspieler, daß Klassenzimmer heute ganz anders aussehen als in der eigenen Erinnerung. Geprobt hatten sie mit Tischreihen und Lehrerpult, bei der Premiere war zwischen Werkbank, Mäusekäfigen und Gruppentischen dann so manche Improvisation nötig. Nach der Aufführung räumten die Kinder eifrig das Zimmer auf, um sich noch eine Zeitlang mit dem Theater-Team zu unterhalten.

In den kommenden Monaten werden Anne Weber und Thomas Mehlhorn noch in rund 20 Hamburger Schulklassen dusselig und schusselig sein, dann doch das Glück finden und im Anschluß mit Kindern über Angst, Schauspiel und allerlei Erfahrungen sprechen.

Nele-Marie Brüdgam