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„Betreuung findet nicht statt“

■ Besuch bei Abschiebehäftlingen meist nur auf schriftlichen Antrag Von Stefanie Winter

Zwei Stunden monatlich dürfen die Häftlinge im Abschiebegefängnis Glasmoor Besuch bekommen – ein Anspruch, der gewährt, aber nicht unbedingt erfüllt wird. Viele der Gefangenen kennen niemanden in Hamburg, der sie in ihrer Isolation aufsuchen könnte. Und die, die sich als „Unbekannte“ ehrenamtlich für Besuche anbieten, gelten nicht selten als Aufwiegler und somit als unerwünscht. Die Anstaltungsleitung hatte sogar gegen mehrere Mitglieder der Glasmoorgruppe im Flüchtlingsrat Hamburg ein Hausverbot ausgesprochen. Gestern versuchten sie trotzdem und vergebens, einen Häftling zu besuchen.

Zu einer Pressekonferenz und entsprechender Schönrederei hatte in der vergangenen Woche die Justizbehörde nach Glasmoor eingeladen. Die Häftlinge würden vom Roten Kreuz und von externen Kirchenmitgliedern bestens betreut, hieß es dort. Diese Betreuung finde faktisch nicht statt, erklärten dagegen Mitglieder der Glasmoorgruppe gestern während einer eigenen Pressekonferenz vor den Doppelzäunen des Abschiebegefängnisses. Das Rote Kreuz komme nicht regelmäßig, sondern nur auf Anfrage. Und die Nachfrage bleibe aus. Kein Wunder, meinte Magdalene Mintrop. Diese Besuche würden über die Anstaltsleitung vermittelt; das sei für viele Häftlinge nicht gerade vertrauenerweckend.

Die „externen Kirchenmitglieder“ seien der klägliche Rest einer Seelsorgehelfergruppe, die das Planungsstadium nicht überlebt hatte, erklärte Christel Seiler vom Nordelbischen Arbeitskreis Asyl in der Kirche. Diese Gruppe wollte Besuchsbedingungen unabhängig von den Besuchszeiten erreichen. Und das ohne Anrechnung auf das Zeitkontingent der Häftlinge und mit Zugang zu allen Abschiebehäftlingen in sämtlichen Hamburger Haftanstalten. Vorbereitende Gespräche seien vielversprechend gelaufen, so Seiler.

Einschränkungen folgten jedoch rasch: kein ungehinderter Zugang zu allen Gefängnissen, Besuche nur zu festen Zeiten. Eine Frau aus der Glasmoorgruppe wurde ohne weitere Begründung als Seelsorgehelferin abgelehnt. Ohne die angestrebte Freizügigkeit wäre die Gruppe als Vollzugshelfer aufgetreten, meinte Seiler. Zwei Mitglieder wurden trotz dieser Bedingungen in Glasmoor seelsorgerisch tätig – zwei Stunden am Freitag nachmittag.

Nach einem Beschluß des Oberlandesgerichts können auch die Mitglieder, die mit einem Hausverbot belegt worden waren, Häftlinge besuchen – allerdings nur, wenn Gefangene diesen Besuch schriftlich beantragen. Um besondere Sicherheitsvorkehrungen treffen zu können, hieß es gestern. Um den Besuch von „Aufwieglern“ zu verhindern, hieß es gestern nicht.

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