: Meineid in Kauf nehmen
■ Expertenanhörung zum Polizeiskandal: Rolf Gössner sagt vorab, wo's stinkt
Wie kann das verbissene Schweigen unter Polizisten, wie der Corpsgeist gebrochen werden? Mit dieser Frage beschäftigt sich heute der Parlamentarische Untersuchungsausschuß (PUA) Polizei. Zehn ExpertInnen sind zu einer Anhörung geladen, um über Ursachen von Polizeigewalt und Lösungsvorschläge zu informieren.
Rolf Gössner ist einer der geladenen Experten; der Rechtsanwalt und Autor zahlreicher Bücher, darunter „Polizei im Zwielicht – Gerät der Apparat außer Kontrolle?“ und „Widerstand gegen die Staatsgewalt – Handbuch zur Verteidigung der Bürgerrechte“, stellte der taz vorab seine schriftliche Stellungnahme zur Verfügung.
Corpsgeist bestehe „in einem Gruppendruck“, der darauf hinausläuft, Fehlverhalten „nach außen zu decken, zu leugnen und gegebenenfalls sogar gerichtliche Falschaussagen bis hin zum Meineid in Kauf zu nehmen“. Die Schutzbehauptungen, das Abstrafen der „Verräter“, die mangelnde Unterstützung durch die Polizeiführung („der Apparat muß sauber bleiben“) bis hin zum Verhalten des Innensenators, der sich in der Regel schützend vor die Polizei stellt, erinnert alles fatal an den Hamburger Polizeiskandal und den Polizisten und „Kronzeugen“ Uwe Chrobok (siehe nebenstehenden Bericht). „Die Ausstiegschancen für ,Nestbeschmutzer' sinken“, stellte Gössner bei seinen Recherchearbeiten fest.
Die Polizei sei bezüglich personeller Zusammensetzung, sozialer Herkunft und beruflicher Motivation „mitnichten ein Spiegelbild der Gesellschaft“. Sondern ein Anlaufpunkt für Menschen „mit autoritären Dispositionen“. Allerdings würde „der Fisch vom Kopf her stinken“. Die politische Führung neige dazu, sich unbesehen vor die Polizei zu stellen und ihre Dienstaufsicht zu vernachlässigen.
Anders als in Brandenburg würden in Hamburg keine ernsthaften Veränderungsversuche unternommen. Dazu gehörten nach Gössner unter anderem: Abbau von Hierarchie, Personalrotation, höherer Frauen- und Ausländeranteil, Förderung von eigenständigem Denken und Zivilcourage, „kurz: eine grundlegende Polizeireform“. Gössner schlägt außerdem einen Polizeibeauftragten vor.
Silke Mertins
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