: „Telefonieren dürfen wir kaum noch“
■ Seit einem halben Jahr wird die Wirtschaftskammer dafür bezahlt, daß sie möglichst nichts tut
Das Eduscho-Haus in der Bahnhofstraße ist eine hervorragende Adresse. Drei Minuten vom Bahnhof, aluminiummodernisiert. Über einen Innenhof mit sprudelndem Brunnen gelangt man zum Eingangsbereich der Bremer Wirtschaftskammer, die hier im 4. Stock eine Etage angemietet hat. Eine Verfassungsinstitution, in Artikel 46 der Landesverfassung seit 1947 abgesichert „zur Förderung der Wirtschaft und der Sozialpolitik“. Ein freundlicher Herr, der Referent Walter Wehling, öffnet uns die Tür und gibt den Blick frei auf gähnend leere Flure. Über die Schreibmaschine neben dem Empfang ist ein Staubschoner gedeckt. Die meisten der Räume stehen leer, die Türen offen. „Die Wirtschaftskammer besteht praktisch nicht mehr“, sagt der freundliche Herr. Er ist hier seit 25 Jahren wissenschaftlicher Mitarbeiter, hat unzählige Beratungssitzungen besucht und gutachterliche Stellungnahmen verfaßt. Seit einem halben Jahr ist es aus damit. „Im Spätsommer“, erinnert er sich, hatte die Koalition beschlossen, die Wirtschaftskammer abzuschaffen. Seitdem beziehen die fünf Angestellten ihr BAT-Gehalt dafür, daß sie möglichst nichts tun.
Denn „wir sollen möglichst wenig den Kopierer benutzen“, sagt der wissenschaftliche Mitarbeiter, und „telefonieren dürfen wir auch kaum noch“. Die Sachmittel sind sozusagen gestrichen, Zeitschriften abbestellt, Gutachten gibt es nicht mehr, weil das Papier kosten würde. „Unsere Arbeitssituation ist unbefriedigend, es ist eigentlich keine Arbeitssituation mehr“, sagt der Mitarbeiter. Nur die Teilnahme an Beratungen, die nichts kosten, findet noch statt.
Gleichzeitig ist auch die ganze ehrenamtliche Grundstruktur der Wirtschaftskammer in sich zusammengebrochen: Die Vorstandsmitglieder sind einer nach dem anderen zurückgetreten, die Handelskammer hat den ihr zustehenden Geschäftsführer-Posten in weiser Voraussicht nicht mehr besetzt, die „Vollversammlung“ ist nicht mehr zusammengetreten, seitdem die Koalitionäre im vergangenen Sommer die Streichung der Zuschüsse von knapp 1 Mio. beschlossen haben. Nur Richard Skribelka, seit 1986 Geschäftsführer, amtiert noch, jedenfalls theoretisch und auf dem Papier. Praktisch und ganz körperlich er ist nicht da, warum auch. Schon im Oktober letzten Jahres meinte er resigniert: „Das ist frustrierend, denn irgendwann ist auch das Letzte aufgearbeitet.“ Das ist nun vier Monate her.
Schon in den 80er Jahren hatte das Wirtschaftsressort einmal einen Vorstoß unternommen, die überflüssige Kammer abzuschaffen, DGB und SPD wehrten sich dagegen. Die Sparzwänge und die große Koalition haben diese Widerstand hinweggefegt, aber die Mühlen der Verwaltung mahlen langsam. Im Sommer versprach der forsch und frisch gebackene neue Bürgermeister noch, schon im Etat 1996 würde die Wirtschaftskammer nicht mehr bedacht. Er hatte offenbar übersehen, daß die Wirtschaftskammer Verfassungsrang hat. Es dauerte bis zum Januar 1996, bis die Bürgerschaft diesen Verfassungsartikel wenigstens in erster Lesung strich. Am 19. Februar soll es weitergehen.
Die MitarbeiterInnen warten so seit Monaten vergebens auf ein Zeichen, was aus ihnen werden soll. Einen Personalrat haben sie nie gehabt. Ihnen hat niemand gesagt, was werden könnte. Werden sie in den öffentlichen Dienst übernommen? „Das ist nicht ein Problem der SKP“, meint Staatsrat Johannes Beermann auf Nachfrage der taz. Er jedenfalls habe keine Anfrage auf Übernahme auf dem Tisch, außerdem sei das eine selbständige Körperschaft und keine Abteilung des öffentlichen Dienstes. Der Wirtschaftssenator sei zuständig.
Die Rechtsaufsicht beim Wirtschaftssenator ist der Ansicht, daß die Mitarbeiter „auf jeden Fall in eine andere Konstruktion überführt werden“ müssen, sprich: in den Öffentlichen Dienst übernommen. Es gebe „verschiedene Überlegungen in verschiedene Richtungen“, ganz „intern“. Mit den Betroffenen wurde darüber deshalb nicht geredet. Das Problem sind dabei nicht die Sekretariatskräfte oder die Referenten, das Problem ist der Geschäftsführer Skribelka mit seiner B3-Stelle. „So eine Stelle haben wir bei uns nicht“, heißt es im Wirtschaftsressort. Die Abteilungsleiter, wo zwei Posten frei sind, sind „nur“ B2. In Bremerhaven versucht die SPD gerade, ihn auch als einfaches Mitglied loszuwerden. Ein zusätzlicher hochbezahlter Spaziergänger aber macht sich optisch ganz schlecht.
K.W.
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