Senat zwingt Bezirke in die Knie

■ Bezirke sollen in diesem Jahr fast eine Milliarde Mark einsparen, um den Haushalt zu konsolidieren

Die Katze ist aus dem Sack: Die Senatsverwaltung für Finanzen hat jetzt die Sparvorgaben aus den Koalitionsvereinbarungen zum Ausgleich des Haushaltsdefizits konkretisiert. Per Rundschreiben wurde den Bezirken mitgeteilt, daß sie für das laufende Haushaltsjahr 1996 einen pauschalen Konsolidierungsbeitrag von 989,8 Millionen Mark zu erbringen haben. Damit müssen die Bezirke fast die Hälfte der Einsparsumme von 2,157 Milliarden Mark erbringen. Die andere Hälfte entfällt auf die Hauptverwaltungen. Die Kostenreduzierung sollen die Bezirke größtenteils durch Einsparungen bei konsumtiven Sachausgaben – vom Bleistift bis zum PC – erzielen.

Damit würden die Bezirke „handlungsunfähig“ gemacht, kritisierte gestern die PDS. „Die überproportionale Belastung der Bezirke“ bedeute deren „Kahlschlag“, sagte Harald Wolf, PDS- Fraktionsvorsitzender.

Der Hellersdorfer PDS-Bezirksbürgermeister Uwe Klett sagte, daß er angesichts der Sparvorgaben von etwa 40 Millionen Mark für seinen Bezirk alle Schulen schließen müßte. Der PDS-Finanzstadtrat von Prenzlauer Berg, Robert Scholz, fürchtet bei der Vorgabe von 50 Millionen Mark die Schließung vieler sozialer und Jugendobjekte. Deshalb sei der Versuch „zum Scheitern verurteilt“. Die Sparvorschläge hätten „nichts mit den Realitäten in der Stadt zu tun“.

Der stellvertretende Bezirksbürgermeister von Friedrichshain, Dieter Hildebrandt, sieht selbst bei einer „Halbierung der Sparvorgaben“ ein „Plattmachen der kommunalen Infrastruktur“. Die vorgegebene Einsparsumme von 36 Millionen Mark für seinen Bezirk bedeute das Aus für Jugendfreizeit- und Kulturarbeit. Die Verantwortung dafür sei nicht zu übernehmen. Acht PDS-Jugendstadträte forderten gestern den Senat auf, „die unsinnigen Vorschläge“ zurückzunehmen.

Nicht nur die PDS, auch die Grünen wehren sich gegen die Einsparvorgaben. Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen in Reinickendorf – dort sollen 77 Millionen eingespart werden – befürchtet das „Ende einer eigenständigen Bezirksverwaltung“: „Wo nur noch die gesetzlichen Regelaufgaben geleistet werden können“, so Oliver Schruoffeneger, „ist die kommunale Selbstverwaltung faktisch tot.“ Schruoffeneger verlangt vom Senat „praktikable Einsparvorschläge“. Denkbar seien maximal fünf Prozent des bisherigen Finanzvolumens seines Bezirks.

Auch der Bürgermeister von Tiergarten, Jörn Jensen (Bündnis 90/Grüne), sieht bei den vom Senat geforderten 35 Millionen Mark für seinen Bezirk „in vielen Bereich Land unter“. Brigitte Apel, Fraktionsvorsitzende der Spandauer Grünen, verurteilt die vorgegebene Einsparsumme von 71 Millionen Mark für den Bezirk als „unbedachtes Reinregieren“.

„Die PDS wird sich an einer Umsetzung dieser Sparvorgaben nicht beteiligen“, so PDS-Fraktionsvorsitzender Wolf. Statt die „Hauptlast der Rotstiftpolitik“ den Bezirken aufzubürden, sollte bei Großprojekten wie dem Ausbau der Messe oder beim Straßenbau gespart werden. In der nächsten Woche sind Gespräche zwischen der Finanzsenatorin und den Bezirksbürgermeistern und Finanzstadträten vorgesehen. Barbara Bollwahn