: Trauer trägt das Internet, nur Disney lacht
■ Bill Clinton hat das neue US-Telekommunikationsgesetz unterzeichnet
Berlin (taz) – Schwarze Seiten im World Wide Web: In der Nacht zum Freitag mitteleuropäischer Zeit hat der Präident der Vereinigten Staaten das Gesetz unterzeichnet, das den amerikanischen Telekommunikationsmarkt neu regelt. Die Gebietsmonopole der regionalen Telefongesellschaften sind damit gefallen, mit ihnen zusammmen können nun Medienkonzerne wie Disney und Warner ihre Dienste ohne Preisregulierungen in alle Haushalte tragen. Kritiker, zu denen lange Zeit Bill Clinton selbst gehörte, fürchten damit neue Vormachtstellungen der Giganten.
Das Gesetz wird aber auch Auswirkungen auf die weltweiten Computernetze haben. Es enthält einen Zusatz, der alle Vermittler von Medieninhalten verpflichtet, gewisse Regeln einzuhalten. Sie dürfen keine Ausdrücke, Texte oder Bilder frei zugänglich machen, die „unanständig“ sind, weil sie unter anderem „sexulle Belästigungen“, „obszöne Handlungen“, oder auch „exkrementorische Akte“ darstellen.
Dieser „Indecency Act“ betrifft nicht nur Fernsehsender, sondern auch Firmen, die Privatpersonen einen Zugang zum weltweiten Internet verschaffen. Die sogenannnten Provider stehen damit vor einem kaum lösbaren Problem: Das Internet war einst so konzipiert worden, um einen Atomschlag zu überleben. Deshalb ist kaum zu kontrollieren, was auf den geschätzten 20 Millionen Computern, aus denen es heute besteht, gespeichert und abrufbar ist. Trotzdem können nach dem neuen Gesetz auch Internet-Provider bestraft werden, wenn sie ihren Kunden nunmehr strafbare Inhalte zugänglich machen. Das führende Internet-Magazin Wired sieht deshalb jahrelange Prozesse voraus, in den das schon aus technischen Gründen der amerikanischen Meinungsfreiheit widersprechende Gesetz ausgehöhlt werde. Die Internet-Pioniere der „Electronic Frontier Foundation“ und einige andere Gruppen nehmen die Gefahr ernster. Sie haben die „Blue- Ribbon-Campaign“ lanciert. Ein Logo, das an das Erkennungszeichen der Aidsopfer erinnert, soll auf möglichst vielen Dokumenten, die im Internet verfügbar sind, gegen den Indecency Act protestieren. Ein Mausklick auf die blaue Schleife führt meistens zu weiteren Dokumenten. Nachzulesen ist etwa der Wortlaut des Gesetzes, aber auch seine politische Vorgeschichte: Der jetzt geltende Indecency Act war ursprünlich sogar Newt Gingrich, dem Wortführer der Konservativen, zu weit gegangen. Niklaus Hablützel
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