: Sind Hauptschulen eigentlich Metzgereien?
■ GymnasiallehrerInnen sollen auch an Haupt- und Realschulen eingesetzt werden
Berlin (taz) – „Kommt Zeit, kommt Rat. Kommt noch mehr Zeit, kommt Oberrat.“ So kommentierte die Ministerpräsidentin von Schleswig-Holstein, Heide Simonis, gestern im Bundesrat die bisherige Praxis der Beamtenbeförderung. In der gestrigen Debatte zur Beamtenrechtsreform nahmen die Bundesländer Stellung zu einer Gesetzesinitiative der Bundesregierung, forderten noch weitergehende Maßnahmen. Wenn es nach den Ländern ginge, könnten Beamte in Zukunft gegen ihren Willen bis zu einem Jahr lang zu einer anderen Dienststelle abgeordnet werden. Beispiel Lehrer: Nach dem geplanten Gesetz könnten Gymnasiallehrer auch als Real- oder Hauptschullehrer eingesetzt werden. Philologen an Hauptschulen? „Wenn im Bad die Fliesen verlegt werden“, sagt der Pressesprecher des Deutschen Philologenverbandes, „dann soll das doch auch ein Handwerker machen und kein Diplomingenieur.“ Und sein Chef Heinz Durner sieht schon das Ende des „Bildungsstandortes Deutschland“ heraufdämmern. Jeder an die Hauptschule abgeordnete Lehrer würde am Gymnasium wieder fehlen.
In den Chor der Bedenkenträger reihen sich auch der Deutsche Lehrerverband und der Deutsche Beamtenbund ein.
Weiterer Einwand gegen die Reform: Nach den im Grundgesetz beschworenen „hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums“ steht jedem Beamten eine „amtsangemessene“ Beschäftigung zu. Wäre die für einen Gymnasiallehrer im Hauptschuleinsatz noch gegeben? In Bayerns Kultusministerium ist man nicht dieser Ansicht. „Das wäre so, als würde man einen Chirurgen die Arbeit eines Metzgers machen lassen“, sagt Pressesprecher Toni Schmid.
Es droht Sozialneid im Lehrerzimmer: Die Hauptschullehrer verdienen rund 600 Mark weniger als ihre Gymnasialkollegen. Die Philologen im Fremdeinsatz bekämen aber weiterhin ihre höheren Bezüge ausbezahlt – für dieselbe Arbeit.
Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft ist deswegen vorsichtig mit ihrer Zustimmung. „Unser Grundsatz war schon immer ,Gleiche Arbeit, gleicher Lohn‘. Wenn das ein Schritt in diese Richtung wäre, dann wären wir zufrieden“, sagt Vorstandsmitglied Otto Herz. Im Prinzip könne ein Austausch von Lehrern pädagogisch sehr fruchtbar sein. Allerdings seien die Lehrkräfte „positiv dafür zu gewinnen“ – sprich: ohne daß Zwang ausgeübt wird.
Ein Scheingefecht der Gymnasiallehrerverbände? Denn kein Kultusministerium plant, den Unterricht an einer fremden Schulart tatsächlich über die Köpfe der Lehrer hinweg zu verordnen. Ein freiwilliges Modell für JunglehrerInnen gibt es in vielen Bundesländern bereits. In den Ländern, die Gesamtschulen und Orientierungsstufen haben, gäbe es keine Probleme für die verschobenen LehrerInnen. Sie müßten nicht einmal den Arbeitsplatz wechseln. In einigen neuen Bundesländern sind die LehrerInnen nicht verbeamtet – hier würde die Regelung nicht greifen. Stefan Kuzmany
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