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„Wiesenthal schuldet jüdischem Volk Entschuldigung“

■ Heftige Reaktionen auf Angriffe gegen „Nazi-Jäger“. Jüdischer Weltkongreß: Wiesenthals Arbeit unnütz. Deutscher Nazi-Verfolger: Er gab Hunderte Hinweise

New York/Wien (dpa/AFP) – Der österreichische „Nazi-Jäger“ Simon Wiesenthal „schuldet dem jüdischen Volk eine Entschuldigung“. Mit dieser Feststellung hat Elan Steinberg, Exekutivdirektor des Jüdischen Weltkongresses, gestern auf die Vorwürfe des ARD- Magazins „Panorama“ gegen Wiesenthal reagiert. Wiesenthal sollte sich vor allem dafür entschuldigen, daß er die Festnahme Adolf Eichmanns als sein Verdienst ausgegeben habe, sagte Steinberg – „während tapfere junge Israelis ihr Leben in dieser Operation riskierten. Er hat die Nazi-Vergangenheit Kurt Waldheim zu vertuschen versucht. Er hat Elie Wiesel beleidigt, der den Holocaust überlebte und den Friedensnobelpreis gewann.“ In einer „albernen Erklärung“ habe der „Nazi-Jäger“ 1986 behauptet, der damals verliehene Nobelpreis stehe nicht Wiesel zu, sondern ihm – Wiesenthal. „Unsere Erfahrung hier ist ganz klar“, sagte Steinberg: „Er hat niemals, bei keiner einzigen Gelegenheit irgendeine Information gebracht, die zur Verfolgung von Nazi- Kriegsverbrechern nützlich war.“

Der ehemalige Wiener Bürgermeister, Helmut Zilk, zeigte sich gestern „äußerst verwundert“ darüber, daß die Angriffe gegen Simon Wiesenthal so spät kommen. Es stelle sich für ihn und „wahrscheinlich auch für viele andere im In- und Ausland die Frage, ob diese Herren einige Jahrzehnte verschlafen, vergessen oder verschwiegen haben“, sagte Zilk. Was man dem 87jährigen Wiesenthal im Fall Waldheim vorwerfe, „ist ein alter Schinken, der schon riecht“, sagte Zilk.

Die Zentrale Stelle zur Aufklärung nationalsozialistischer Verbrechen in Ludwigsburg bescheinigte Wiesenthal, er habe „einige hundert erfolgreiche Hinweise“ im Zusammenhang mit nationalsozialistischen Verbrechen gegeben. Der Zentralstelle habe er insbesondere zu einer Zeit, in der die internationale Zusammenarbeit zur Verfolgung von NS-Verbrechen noch nicht so funktionierte wie heute, viele wichtige Hinweise gegeben – nicht nur auf Täter, sondern auch auf Zeugen und Dokumente, sagte der Leiter der Stelle, Oberstaatsanwalt Alfred Streim. Im übrigen habe Wiesenthal nie behauptet, daß er an der Entdeckung Adolf Eichmanns in Argentinien beteiligt gewesen sei. Er habe immer nur gesagt: „Ich jagte Eichmann.“

Wiesenthal ist schon am Mittwoch mit Kreislaufproblemen in ein Wiener Krankenhaus eingeliefert worden. Der 87jährige schwebt aber nicht in Lebensgefahr. Nach Angaben des Jüdischen Dokumentationszentrums will er möglicherweise gerichtlich gegen „Panorama“ vorgehen.

Siehe auch Seiten 10 und 11

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