Sanssouci: Vorschlag
■ Schlußakkord: „Moskauer Künstler in Berlin“
Verlängerte Körper ziehen vorbei Foto: daad
Ein Mensch kommt auf die Bühne. Er ist allein. Im Rücken seines weißen enganliegenden Trikots ist eine Schnur befestigt, die sich länger zieht, je weiter er vorwärtsschreitet. Die Schnur verbindet ihn mit einem zweiten Menschen, der aus der Kulisse tritt. Drei übereinanderliegende Schnüre sind an diesem befestigt. Sie werden gehalten von einem Dritten, der wie alle anderen von links nach rechts geht. Keine andere Richtung ist in diesem visuellen Poem auf die Musik von Avet Terterjan vorgegeben. Deren langanhaltende, gleichmäßige Klänge sind nichts für Harmoniesüchtige. Die präzise gesetzten Schritte erinnern an einen fehlgeschlagenen Aufmarsch.
Bildende Künstlerin, Bildhauerin, Choreografin, Bühnenbildnerin – die Urheberin dieser Inszenierung in der Akademie der Künste, Olga Paulova, läßt sich auf keine Disziplin festlegen. Dabei verraten die verhaltene Dynamik und die Ausmaße der bewegten Stoffskulptur am ehesten ihre ursprüngliche Profession – die Architektur. Sie gestaltet eine künstliche Menschenlandschaft, mit weißem Stoff als fragilem Mauerwerk.
Immer bizarrer und ausgefranster werden die Formen, in die die Figuren verwoben sind, korrespondieren sie doch mit der Entwicklung der Musik, die allmählich ihre monotone Basis verliert. Schwebende, rollende und zweifach verlängerte Körper ziehen vorbei, Frauen, deren Röcke gefangen sind im Spinnwebengeflecht, im Baldachindschungel: ein Zauber. Passend zum Augenblick, in dem die größte musikalische Apokalypse beginnt, wird ein riesiges weißes Tuch (eine Fahne?) mit Löchern vorbeigetragen. Die Figuren sind am Schluß ohne „stofflichen Überbau“, formieren sich aber fast unbemerkt wieder in Reihen. Olga Paulowas Arbeit setzt dieser Inszenierung den Schlußakkord unter das Stipendiatenprogramm „Moskauer Künstler in Berlin“. Waltraud Schwab
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