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Jeder 2. Brand wird gelegt

■ Erneut Frau bei Wohnungsbrand getötet. Letztes Jahr fünfundvierzig Tote

Wohnen in Berlin ist gefährlich. Gestern früh bargen Feuerwehrleute in der Neuköllner Schillerpromenade Nummer 39 die Leiche einer 77jährigen Mieterin aus einer ausgebrannten Wohnung. Fahrlässigkeit vermutet die Polizei diesmal als Brandursache: Die Mieterin habe Papier zu dicht am Ofen gelagert.

Die Frau ist das dritte Flammenopfer in diesem Jahr; mindestens 25 Menschen wurden bei Bränden seit Jahresbeginn verletzt. Und fast kein Brand ist bisher aufgeklärt. Nur für das Feuer in einem besetzten Haus in der Kinzigstraße in Friedrichshain steht jetzt Brandstiftung fest – von TäterInnen aber keine Spur. Der Brand im Haus Mehringdamm 97 in Kreuzberg vom 11. Januar, bei dem ein Mann getötet wurde, wird inzwischen von der Staatsanwaltschaft bearbeitet.

Berlin ist schon seit Jahrzehnten die Hauptstadt des Feuers. Nirgendwo in der Bundesrepublik muß die Feuerwehr so oft ausrücken wie hier. „Wir sind seit Jahren Spitzenreiter bei Bränden“, muß Klaus Ziegler, Pressesprecher der Feuerwehr, berichten. 12.721mal mußte die Feuerwehr im letzten Jahr ausrücken, 5.181mal war der Brand mutwillig gestiftet. Dabei kamen 45 Menschen ums Leben: 1 Kind, 19 Frauen und 25 Männer.

Früher wußte man ganz genau: Wenn ein türkischer Laden brennt, dann war es ein rechtsradikaler Anschlag, wenn ein Wohnhaus in Flammen steht, wurde warm saniert. Aber nichts ist mehr, wie es war, die politischen Fronten sind durcheinandergeraten und Serientäter zündeln ohne ideologische Rechtfertigung einfach überall.

Auch im Januar 1996 züngelten schon 2.253 mal die Flammen. Etwa 900 Brandlegungen vermutet der Leiter der 2. Brandkommission beim Landeskriminalamt, Werner Breitfeld, hinter dieser Zahl. „Nach dem gültigen Brandstrafrecht von 1871 gilt aber nicht jede Brandlegung als Brandstiftung, nur ein Bruchteil wird als Brandstiftung verfolgt, der Rest ist nur Sachbeschädigung“, empört sich der Feuerexperte, der eine Verschärfung des Strafrechts fordert. Um den PyromanInnen trotzdem das Handwerk zu legen, hat Breitfelds Kommission eigens eine Kartei angelegt: eine Tatverdächtigenkartei. Darin sind etwa 3.500 FeuerfreundInnen notiert, die der Kommission bei der Untersuchung von Bränden ins Visier geraten sind. „Ob sie verurteilt wurden oder wegen mangelnder Beweislage auch nicht, wir sammeln alle Verdächtigen“, gibt Breitfeld Einblick in die Ermittlungsmethoden.

Politische Brandstiftung ist nach Breitfelds Auswertung nur zu einem kleinem Teil Ursache der Flammen, auch „warme Sanierung spielt bei uns gerade keine Rolle“, sagt er, „zur Zeit sind die Eigentumsverhältnisse in Berlin noch zu ungeklärt, da lohnt sich Brandstiftung nicht so recht“. Auch für Pressesprecher Ziegler sind Serientäter die gefährlichsten Zündler. Er hat arbeitslose Männer zwischen 18 und 40 Jahren als größte Tätergruppe im Ballungszentrum ermittelt. Der Kriminalbeamte Breitfeld faßt die Erkenntnisse der Feuerwehr plastischer zusammen: „Ein Viertel aller Täter sind Serientäter. Die sind soziologisch schlecht strukturiert und zu 87 Prozent beim Brandlegen alkoholisiert.“ Barbara Junge

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