In den Bezirken regiert der Rotstift

Bürgermeister wollen bei Jugend- und Seniorenprojekten sparen. Am Donnerstag treffen sie sich mit der Finanzsenatorin. Senat geht am zweiten März in Sparklausur  ■ Von Christoph Oellers/Dorothee Winden

Ausstellungen sollen entfallen, Jugend- und Seniorenprojekte eingestellt werden, Wohnungbauförderungen wegfallen oder Neubauten für Schulen und Kindertagesstätten gestrichen werden: In den Bezirken steht unter dem Spardiktat gegenwärtig alles auf dem Prüfstand. 989,8 Millionen Mark sollen die Bezirke zusätzlich in diesem Jahr sparen, hatte die Finanzsenatorin Fugmann-Heesing (SPD) Anfang des Monats in einem Rundschreiben gefordert. Das sind acht bis zehn Prozent der Haushalte. Es ist knapp die Hälfte der 2,1 Milliarden Mark, die im Koalitionsvertrag als Sparziel für dieses Jahr genannt wurden. Die Bürgermeister und Finanzstadträte beraten am Donnerstag mit der Senatorin über die Sparvorschläge.

„So was habe ich in den 15 Jahren nicht erlebt“, sagt Neuköllns Bürgermeister Bodo Manegold (CDU). Die konkreten Sparvorschläge der Senatsverwaltung – Erhöhung von Bibliotheks-, Volkshochschul- und Sportanlagengebühren – nennt er „Peanuts“ und „einen Witz“. Manegold will im Sozialbereich sparen. „Das ist nun einmal der größte Batzen.“ Konkret schwebt ihm vor, den zweiten Förderungsweg beim Wohngeld ersatzlos zu streichen.

Also alle, die keinen Wohnberechtigungssschein haben, würden in Zukunft keine Chance haben, eine Sozialwohnung zu bekommen. In Sachen Privatisierung sieht er „das Ende der Fahnenstange erreicht“. Wochenmarkt, Reinigung von öffentlichen Gebäuden, Industriebahn, Pflege von Grünanlagen, jetzt auch noch die Bezirksgärtnerei und die Baumschule – all das hätte man ja schon abgegeben in private Hände.

In Wedding soll in erster Linie bei den Baumaßnahmen gespart werden. Geplante Schulen und Kindertagesstätten würden nicht gebaut. „Das werden wir dann allerdings in Zukunft viel teurer zurückzahlen müssen“, sagt Weddings Bürgermeister Hans Nisblé (SPD). Er hält die Vorschläge der Finanzsenatorin für „völlig unrealistisch“.

Der Bezirk Charlotteberg, so sagt Sozialstadtrat Udo Maier (SPD) will Sommerlager für Jugendliche sowie Ausstellungen streichen. „Soviel Inkompetenz eines Staatssekretärs habe ich noch nicht erlebt“, schimpft Hellersdorfs Bürgermeister Uwe Klett (PDS). Würde man die Sparvorschläge umsetzen, würde man gegen Landesgesetze verstoßen. Für das laufende Jahr sieht Klett allenfalls einen finanziellen Spielraum von bis zu einer Millionen Mark, die im Jugend- und Seniorenbereich eingespart werden könnten. Nach den Vorstellungen des Finanzstaatsekretärs Bielka (SPD) sollen es aber 40 Millonen Mark sein.

Für die Verabschiedung des Nachtragshaushalts 1996 hat Finanzsenatorin Fugmann-Heesing einen straffen Zeitplan aufgestellt. Nur zwei Wochen bleiben ihr, um die Sparvorschläge aus den einzelnen Senatsressorts zu prüfen. Die Hauptverwaltungen sollen dieses Jahr ebenfalls 1,1 Milliarden Mark zusätzlich einsparen. Die Entscheidung darüber, welche Kürzungsvorschläge aus den Hauptverwaltungen realisiert werden, wird auf einer Senatsklausur Anfang März fallen.

In der Senatsverwaltung für Kultur wird noch fieberhaft gerechnet, wie die Sparvorgabe von 34,7 Millionen erbracht werden soll. Die Innenverwaltung muß 154,9 Millionen einsparen, das Schulressort 42,5 Millionen. Bausenator Jürgen Klemann (CDU) muß 267,3 Millionen sparen, unter anderem bei der Instandhaltung öffentlicher Gebäude. Arbeitssenatorin Bergmann (SPD) muß 8,8 Millionen Mark zusammenkratzen und Sozialsenatorin Beate Hübner (CDU) 69 Millionen kürzen.