: „Bis die nächste Fähre kommt, ist der Dreck weg“
■ Francesco Gargiulo, Müllbeauftragter der Mittelmeerinsel Capri, über Müllnotstand
Capri, die winzige Insel im Golf von Neapel, verdankt ihren Reichtum ihrer Schönheit. Im Sommer kommen täglich bis zu 15.000 Touristen auf die Insel. Das sind ebenso viele, wie Capri an Einwohnern hat. Viele Besucher bringen ihre Cola- Dosen und Chips-Tüten im Rucksack mit. Wenn sie abends mit der letzten Fähre zurückfahren, lassen sie fünf Lastwagenladungen voll Müll zurück. Am nächsten Morgen muß Capri wieder blitzeblank sein – für die nächste Schiffsladung.
taz: Wie wird Capri mit seinen Müllmengen fertig?
Gargiulo: Die Straßen der Insel sind so steil und eng, daß wir mit den Müllwagen nicht die Piazzetta, den Hauptplatz von Capri, erreichen. Deshalb muß der ganze Müll per Hand eingesammelt werden. Jede Nacht schicken wir 35 Müllmänner los, die von nachts um drei bis morgens um acht die Insel säubern. Bis die nächste Fähre kommt, ist der Dreck weg.
Capri ist 1.000 Hektar groß. Sind da knapp 15.000 Einwohner und nochmal soviel Touristen nicht einfach zuviel?
Es war schon mal die Rede von einer Art Steuer, die die Tagesausflügler auf der Fähre hätten bezahlen sollen. Aber das war dann rechtlich nicht durchsetzbar.
Der ganze Müll wird aufs Festland gebracht. Hat Capri selbst keine Deponie?
Bis Anfang der siebziger Jahre gab es eine, die wurde jedoch geschlossen, weil man Dioxin entdeckt hat. Seitdem wird der Müll nach Neapel gebracht.
Und da gibt es Deponien?
Bis jetzt noch, aber Neapel steht kurz vor dem Müllnotstand. Und die kleinen Gemeinden rund um Neapel, die schon den ganzen Dreck von Neapel ertragen müssen, sehen natürlich nicht ein, warum sie auch noch den aus Capri nehmen sollen. Außerdem war das Geschäft mit dem Müll für lange Jahre in den Händen der Camorra, die daran mit wenig Investitionen viel Geld verdiente. Diese halb illegalen Müllplätze sind heute zum Bumerang geworden – weil sie überfüllt sind und weil die Anwohner nicht mehr mitmachen.
Und wohin dann mit dem Müll? Wird der dann ins Meer gekippt?
Das ganz bestimmt nicht, denn bei uns steht es schon in der Zeitung, wenn irgendwer eine Plastiktüte auf der Straße findet. Es wäre auch gar nicht machbar, denn im Sommer liegen so viele Yachten vor Capri, daß niemand unbeobachtet Müll ins Wasser kippen könnte. Wir haben schon das Problem, daß die Meeresströmung uns den Müll aus Salerno herübertreibt. Extra deswegen haben wir ein kleines Schiff gekauft, das in alle engen Buchten paßt, um dort Müll aus dem Wasser zu fischen.
Wird der Müll wenigstens getrennt gesammelt?
Wir haben Container aufgestellt für Plastik, Batterien, PVC und Blech. Aber die LKW, die diese Container normalerweise ausleeren, sind zu groß für unsere engen Straßen. Also müssen wir das Zeug erst auf den Handwagen laden. Die Altglassammlung funktioniert ganz gut, was gar nicht selbstverständlich für Italien ist, wo nur fünf Prozent des Abfalls recycelt wird. Interview: Tanja Busse
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